blauerfalke: (erzählen)
blauerfalke ([personal profile] blauerfalke) wrote2025-05-30 10:16 pm
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Die Würze der Kürze

Eine kleine Geschichte der Presse anhand der vermischen Meldungen

von Klaus Zeyringer

Wie der Titel schon sagt, wird die Geschichte der Presse - genauer, der Zeitungen - nachvollzogen. Flugblätter, unregelmäßig erscheinende Nachrichtendrucke, speziell gedruckte Sensationsmeldungen, später dann Zeitungen mit regelmäßigen Erscheinungsdaten und bestimmten Absichten. Unterhalten und informieren, das ist das Credo der Zunft. Gebremst durch Zensur, sich selbst im Weg stehend durch schlechte Recherche und immer auf der Suche nach der Meldung, die genug interessiert, dass einem die Leute das Blatt aus der Hand reißen. Schon immer ging es um Quote. Da ist es kein Wunder, dass die Geschichte der in unserer Zeit immer unwichtiger werdenden Presse mit einem Kapitel über Twitter endet. (Das Buch ist von 2022.)

Vermischte Meldungen, faits diverses oder Kleine Bühne sind übrigens all die Dinge, die nicht zu den großen, weltbewegenden Geschehnissen gehören. Das, wie Herr Zeyringer später erklärt, was man heute unter "Leute" findet - Adel, Prominente, skurrile Begebenheiten, Wunder, lokale Katastrophen. Das Menschliche, was die Leute immer aufhorchen lässt. Emotionales.
Und das eignet sich sehr gut, um den Weg der Presse durch die Zeit nachzuvollziehen. Anhand dessen, was gedruckt wurde, wie schnell oder langsam die Nachricht ihren Weg fand, wie oft von wem abgeschrieben oder auch einfach erfunden wurde. Denn so ein Zeitungsblatt darf natürlich keinen Platz verschwenden, und wenn noch Platz da ist, aber keine Meldung mehr, dann schreibt man halt, dass es Unruhen in Kalkutta gab (gibt's da ja immer), oder dass es in Berlin so schlimm geregnet hat, dass die Fische die Straße entlangschwammen (natürlich nicht in einer Zeitung für Berlin und Umkreis, aber in Paris... warum nicht?). Auch der Einfluss von Machtwechseln, politischen Richtungen und Propaganda auf die Vermischten Meldungen wird beleuchtet, und der sich entwickelende Aufbau von Zeitungen, von "wir drucken einfach alles durchgängig" bis zur Unterteilen mit Themenbereichen und Überschriften.

Ich musste mich allerdings erst einmal einlesen - Herr Zeyringer fügt immer wieder Erzählkapitel ein, die beschreiben, wie zufällige Personen mit Zeitungen konfrontiert werden und umgehen. Eigentlich eine sehr gute Idee, da es die jeweilige Gesellschaft veranschaulicht und den Wert einer Zeitung darin, aber die Sprache ist doch oft sehr ausgefallen. Ich glaube, ich habe das Wort "soigniert" in diesem Buch deutlich häufiger gelesen als in meinem gesamten bisherigen Leben. (Ja, Herr Zeyringer ist Germanist.)
Auch wird die Kenntnis des Englischen vorausgesetzt, denn alle englischen Zitate stehen im Original und es gibt keine Übersetzung. Die französischen stehen auch im Original, werden aber übersetzt. Generell liegt ein großer Fokus des Buches auf Deutschland und Frankreich. Ich hatte eigentlich einen auf England erwartet, weil die Fleet Street doch das Pressewesen angeblich erst zur Blüte geführt haben soll... Aber vielleicht habe ich mir das nur eingebildet.

Kann man gut lesen, ist aber sehr speziell und plätschert schon etwas vor sich hin. Ich habe vor allem grobe, allgemeine Fakten behalten und keine Details. Viele wichtige Schriftsteller wie Heinrich von Kleist, Proust und James Jocye haben irgendwann mal für Zeitungen geschrieben haben, Goethe und Schiller aber anscheinend nie.

(Erheiternd fand ich die Aussage, dass "Ulysses" quasi nichts anderes ist als die Vermischten Meldungen in Form eines sehr langen Romans. Ich kann das nicht beurteilen, denn ich habe das Buch nicht gelesen, aber ich kenne die Ansicht, dass "Ulysses" unglaublich schwierig sein soll... und das sind die Vermischten Meldungen ja grade nicht.)