blauerfalke: (geschichten)
blauerfalke ([personal profile] blauerfalke) wrote2012-09-13 02:24 pm
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"Die Prinzessin und das Einhorn" und "Die Königin und ihr Ritter"

von Sharan Newman

Ich bin sicher, dass ein dritter Teil zumindest geplant war. Ob er erschienen ist... ich habe nicht recherchiert. Es handelt sich um eine Variante der Artussage zur "historisch korrekten" Zeit. Das heißt, die Römer sind gerade erst abgezogen und es gibt noch wenige Menschen, die nach römischem Vorbild leben. Außerdem greifen ständig die Sachsen an.


Band 1 stellt uns Guinevere, die titelgebende Prinzessin, samt Familie vor, die zu diesen gebildeten römischen Familien gehören. Merlin ist übrigens ihr Onkel, also der Bruder der Mutter... das erwähne ich vor allem, weil alle Beteiligten Christen sind. Merlin ist trotzdem ein Prophet und Zauberer. Spaßigerweise gibts da auch noch Geraldus, den alle für einen Heiligen halten, weil er ständig Gesang hört und versucht, diesem Chor bessere Gesänge zu entlocken. Es sind aber keine Engel - Guinevre kann die Wesen sogar sehen.
Überhaupt kann Guinevere alles, hat alles, ist alles, bekommt alles, alle lieben sie und alle liegen ihr zu Füßen. Kurz, sie ist ein total verzogenes Balg, das es gewöhnt ist, dass alles nach ihrer Pfeife tanzt, und nicht damit umgehen kann, wenn das mal nicht der Fall ist. Über sie fallen Sätze wie "von allen Männern geliebt zu werden, war nichts Neues für sie" und am Ende von Band 2 sagt sie sogar in wörtlicher Rede "Ich habe immer bekommen, was ich wollte." Immerhin, sie hats gemerkt. :p Sie ist intolerant gegenüber anderen Lebensweisen als der römischen, kann sich nicht in andere hineinfühlen und sieht auf fast jeden in ihrem Umkreis herunter. Kurz, sie ist eine blöde Kuh, aber das merkt keiner, denn sie ist unglaublich schön. Na denn, wenns nichts Wichtigeres im Leben gibt...

In Band 1 gibt es jedenfalls auch noch das titelgebende Einhorn, das, wie könnte es anders sein, ebenfalls Guinevere verfällt. Das ganze Buch über halten sie sinnlose und egozentrierte Zwiegespräche, während ganz viele Dinge geschehen, die eigentlich normal sind in einem Land im Krieg, aber natürlich nur geschehen, um Guinevere zu nerven, denn sie ist das ja das Zentrum des Universums. Als sie Artus heiratet, gibt es eine Hochzeitsnacht, sie ist keine Jungfrau mehr und das Einhorn verläßt sie. Guinevere vergißt das Einhorn daraufhin. Das Einhorn trifft sterbend auf Lancelot, in dem es spontan denjenigen erkennt, den es die ganze Zeit über gesucht hat, und vermacht ihm seinen Platz in Guineveres Herz. Okay, hätten wir das auch geklärt. In dem Moment hätte ich das Buch beinahe weggelegt und nie mehr angepackt.

Die Handlung von Buch 1 ist vollkommen uninteressant, und auch Band 2 hat nur eine "echte" Artushandlung zu bieten (außer der Tatsache, dass Lancelot mit Elaine ins Bett geht, durch Zutun von Morgause und Morgana): Meleagant entführt Guinvere. Lancelot geht sie retten und marschiert über die Schwertbrücke. Vom Blutverlust halb bewußtlos vergißt er seine Selbstbeherrschung und faßt die Königin an. Sie kann damit nicht umgehen und schreit ihn an, dass er sie voll Blut macht. Daraufhin verliert er den Verstand und verschwindet im Wald. Bevor sich Meleagant und Konsorten davon erholen können, klopft Gawain an die Tür, der zwischenzeitlich über die Unterwasserbrücke marschiert ist, und will Guinevre befreien. Alle sind aber so geschockt, dass sie ihm die Königin auch ohne Kampf aushändigen.
Spaßig an der Episode finde ich vor allem, dass Morgause und Morgana hinter der ganzen Episode stehen, und Morgana vergessen hatte, Morgause zu sagen, dass Gawain keine Angst vor Gespenstern hat, weil er keine kennt. Da er tagsüber auch noch übermenschlich stark ist, hat ihm die Strömung der Unterwasserbrücke nichts ausgemacht - kurz, für ihn gab es keine Hindernisse auf dem Weg zur Burg. Da zu erwarten war, dass Artus Gawain als seinen Champion schickt, läßt das die beiden Hexen doch irgendwie... blöd... da stehen.

Kommen wir nun zum Positiven, denn nicht alles an dem Buch ist schlecht: die meisten anderen Charaktere. Da hätten wir Lancelot, ultra-fromm und ständig voller Schuldgefühle, oder Artus, der versucht, das Übermenschliche zu schaffen. Artus ahnt am Ende von Band 2 von seiner Frau und seinem besten Freund, versucht es aber tapfer zu ignorieren. Beide Figuren sind absolut glaubwürdig, außer in der Frage, was zum Teufel sie eigentlich beide an Guinevere finden. Auch Artus' Beziehung zu Cei ist glaubwürdig und freundschaftlich. Nicht jeder Seneschall droht seinem König an, ihm den Unterkiefer zu brechen, wenn der ihm verbietet zu heiraten. Schon gar nicht im Scherz.
Cei kommt übrigens gut weg, als glänzender Kämpfer, enger Freund von Artus und kompetender Origanisator. Wenn er ausfällt, braucht es Agrawaine, Keldres, Torres und Bedevere, plus die Assistenz von Lancelot und Gawain, um das gleiche Pensum zu stemmen. Er hat Humor und trägt es niemandem nach, dass Artus immer der Lieblingssohn war und er selbst deutlich zurückgesetzte Nummer zwei.

Natürlich haben wir da auch den Orkney-Clan, der diesmal nicht der Orkney-Clan ist, denn Morgana, die Mutter von allen fünf, ist mit Lot, dem König von Cornwall, verheiratet und lebt auf Tintagel. Ihre fünf Jungs sind wahrscheinlich von fünf verschiedenen Vätern, wobei nicht klar ist, ob überhaupt einer von Lot ist, und auch Morgana selbst nicht mehr weiß, wer von wem ist. Agrawaine ist der Älteste, ein ruhiger, vernüftiger, sympatischer Mann, der in Artus' Diensten sein Bestes tut. Gaheris sagt nie was, nur wenn er wirklich etwas zu sagen hat, und hat die Gabe, dass ihm dann auch alle zuhören. Er wird mal einen tollen Bischof abgeben. Gareth ist klein und unscheinbar und jeder übersieht ihn immer. Er reißt von zuhause aus, um sich nach Camelot durchzuschlagen, schafft das auch, und bittet dort um Arbeit, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Cei bietet ihm Arbeit im Stall an, zu den üblichen Konditionen, und Gareth nimmt an. Keine Bitterkeit, kein Spott... Gareth hängt allerdings mit großer Leidenschaft an Lancelot, dem er nacheifert, und so rennt er ihm nach, als der loszieht, Guinevere vor Meleagant zu retten. Das führt zu einer weiteren spaßigen Konstellation: nachdem Lancelot im Wald verschwunden ist, taucht Gareth bei Artus und seinen Rittern auf, mit Lancelots Pferd am Zügel, auf das er aufpassen sollte. Agrawain erkennt ihn sofort und nach einer Weile hin und her gibt Artus Befehl zu Weiterreiten, weil "heute doch keine weiteren Neffen mehr zu erwarten sind". Darauf die Antwort: "Nein, da ist nur noch Mordred und der will zuhause bei Mama bleiben."
Genau, Mordred. Der jüngste der Bande, ein verzogener, gutaussehender Prinz, der immer alles kriegt, was er haben will. Die männliche Guinevere sozusagen. Zum Glück kommt er kaum vor.

Und dann hätten wir da noch Gawain, den zweiten in der Riege von Morgauses Söhnen. Gawains Vater war ein Sonnenstrahl oder ein Lichtgott oder irgendwie sowas, deswegen ist er schön wie ein Junger Gott und hat ein unglaublich sonniges Gemüt. Soll heißen, er benimmt sich wie 16. Immer. Auch später noch. Er ist idealistisch bis zum Exzess, ohne dabei dumm zu sein oder gutgläubig, liebt Guinevere nur als Schwester, und versucht, Lancelot zu decken, ohne dabei Artus zu hintergehen. Freund bis zum Letzten, gute Vorbereitung für die Katastrophe. ;) Ach ja, und nicht zu vergessen seine herausragenden Eigenschaften: sobald die Sonne untergeht, schläft er ein und wird erst wieder mit dem ersten Sonnenstrahl wach. Der Grund, aus dem er keine Geister kennt, denn die gibts ja nur nachts. Und er ist so stark, daß er mit Leichtigkeit an jedem Arm einen ausgewachsenen Mann über den Hof von Camelot tragen kann, oder sich hüten muß, um anderen bei freundschaftlichen Rangeleien nicht die Knochen zu brechen. Oder sich selbst vor die Stirn zu schlagen, das ist auch keine gute Idee. Der einzige, der gut genug ist, um es mit Gawain aufzunehmen, ist Lancelot.

Merlin ist übrigens blöd. Nicht als Charakter, sondern als Person. Er versucht, mit Artus dieses ideale Britannien zu erschaffen, enthält dem aber jede Art von wichtiger Information vor, und schickt ihn sogar los, den Sommer mit Morgana zu verbringen, auch wenn er der nicht traut. Und ohne Artus zu sagen, wer seine Eltern sind. Ja, Mordred ist von Artus. Aber auch das weiß Artus nicht, weil Merlin vergißt, ihm das zu sagen. Das, und was die beiden Hexen und Mordred vorhaben. Dinge wir Artus' Herkunft verrät er nicht, weil er angeblich auf den besten Zeitpunkt wartet, und läßt dann zu, dass Guineveres Eltern ihm das mal eben nebenbei erzählen. Am Ende von Band 2 geht er dann mit Nimue in eine andere Welt. Wahrscheinlich besser so.

Also, es hat seine starken Momente, aber im Ganzen ist die Handlung doch recht unerträglich. Erstaunlich, dass es doch so viele gute Charaktere in der Geschichte gibt.