Feb. 15th, 2011

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Das Tiroler Landestheater Innsbruck hat sich die Mühe gemacht, eine Doppel-CD zum Stück herauszubringen, was an sich sehr lobenswert ist. Leider haben sie sich dafür entschieden, eine live-Aufnahme zu machen, was an sich auch sehr lobenswert ist, aber leider als Ergebnis nicht so ganz überzeugend. Die Abmischung wirkt manchmal seltsam und teilweise auch schwammig - oder ich muß davon ausgehen, daß das Ensemble nicht synchron singt und die Solisten undeutlich artikulieren, und das will ich ihnen eigentlich nicht unterstellen, auch wenn die Möglichkeit natürlich besteht.

Der Großteil der Solisten scheint sich aus dem (hauseigenen?) Opernensemble zu rekrutieren. Das heißt, sie können alle wirklich gut singen, klingen aber auch alle klassisch und kontrolliert, und lassen nur extrem selten mal los, so daß etwas wie Gefühl im Gesang aufkommt. Vom gesanglichen Standpunkt aus gibt es daran absolut nichts zu meckern, aber ich tue mich mit typisch klassischen Stimmen schwer und empfinde so kontrollierten Schöngesang für ein Musical immer irgendwie als unpassend. Im Musical geht es halt nicht darum, möglichst perfekt zu singen.
Dazu kommt noch, daß die zweite Damen-Partie für die Sängerin zu tief ist - sie hat eine tolle Kopfstimme, kann das aber leider nicht ausspielen.

Im Gegensatz dazu gibt es Lulu selbst (Lucy Scherer), deren Stimme sich deutlich absetzt, mit glasklarem Klang, deutlicher Spielfreude, voller Emotion und beachtlichem Tonumfang. Auch ihr spielt die Partitur einige Streiche, von der Rollengestaltung selbst mal ganz zu schweigen, aber ihre Leistung ist beachtlich.

Dann ist da noch Jack the Ripper, gespielt von Máté Kamarás, der auf jeden Fall nicht zum Hauspersonal gehört. Warum er dann ausgerechnet eine Rolle singen muß, die nur zwei Lieder hat und ansonsten nur die Biographical-üblichen erklärenden Zwischenstücke, ist mir ein Rätsel. Auch er klingt stellenweise schwammig und undeutlich, singt aber wenigstens emotional.

Die Musik ist symphonisch-dramatisch, erinnert entfernt an "Jekyll & Hyde", ohne dabei dessen Dichte oder emotionalen Tiefgang zu erreichen. Stellenweise klingt sie einfach nur nach Stadttheater, an anderen Stellen seltsam-experimentell.
Der Text ist grauenhaft. Eine wahre Fundgrube für meine Sammlung schlechter Musicaltexte, man könnte fast das gesamte Libretto hineinstellen. "Ich bin dein Rivale, drum wird dein Leib zur Kathedrale"... irgendwie sowas in der Art. Und wenn Figuren verzweifelt sind, müssen sie das explizit singen, damit es auch ja jeder mitbekommt. Dagegen war "Der Ring" hohe Literatur.

Soweit ich der Handlung anhand des Hörens der CD folgen konnte, handelt es sich um Lulus Lebensgeschichte, kommentiert ab und an von Jack the Ripper, der sie dann am Ende vom Stück auch umbringt. Warum eigentlich und warum ausgerechnet Jack the Ripper... keine Ahnung. Es findet keinerlei Bezug zwischen den beiden Hauptcharakteren statt und schon gar keine Interaktion, außer in den letzten zehn Minuten. Da wird es dramatisch, der Rest davor ist trotz diverser Toter, die mehr oder weniger auf Lulus Konto gehen, irgendwie belanglos. Vielleicht soll es auch ein Gleichnis auf irgendwas sein... für "Das Leben ist kein Freundenfest" möglicherweise, denn das jagt Jack bei nahezu jedem Kommentar. So oft, daß es mir irgendwann auf den Geist ging.
Oder sie wollten ein Stück schreiben, daß irgendwie an "Elisabeth" erinnern sollte, und haben Tod und Lucheni aus Kostengründen in eine Figur geschrieben. Das würde auch Lulus "du sollst nicht gehen, laß mich weiter in deine Augen sehen"-Geschmachte erklären, wenn sie Jack zum ersten Mal trifft und sich offenbar gleich in ihn verliebt. Todessehnsucht auf modern und weniger romantisch.

Ach so, und in London regnets natürlich ständig. Muß ja. Außerdem kann man dann toll "gibt mir den Rest" auf "völlig durchnäßt" reimen. ;)

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