Sep. 2nd, 2012

blauerfalke: (geschichten)
...mit den drei Jungfrauen

Verfasser unbekannt. Das Buch wurde mal Robert de Boron (Ende 12tes/Anfang 13 Jhdt) zugeschrieben, ist aber wohl doch nicht von ihm, darum wird der Autor jetzt Pseudo-de-Boron genannt. Um die Bedeutung des Werkes zu würdigen, gibt es erstmal einen Einleitungstext, der ca. ebensolang ist wie der Text selbst, und der seine Entdeckung, seine Einordnung in die klassische Artus-Literatur und viele andere Dinge erläutert, die ich zum Großteil nicht gelesen habe. Ja, ich bin ignorant, aber eben mehr auf der Suche nach guten Geschichten als nach Literaturwissenschaft. Ob der Rest der Welt die Geschichte da für bedeutend hält oder nicht ist mir weniger wichtig.
Die Fußnoten waren dafür richtig spannend, denn die bezogen sich ja auf den Inhalt des Textes.

Es handelt sich um die Geschichte mit den drei questing ladies, die an einem Brunnen sitzen und auf Ritter warten, die mit ihnen auf Abenteuersuche gehen. Eine ist 15, eine ca. 30 und eine mindestens 70. In dieser Version nun kommen Ywain, Gawain und der Morholt vorbei, jeder kriegt eine Jungfrau, sie machen aus, sich in einem Jahr wieder zur treffen, und trennen sich.
Gawain hat die Jüngste abbekommen, die Haupthandlung ist Pellias und Ettarde (hier: Atarde). Gawain verrät Pellias, indem er sich selbst in Ettarde verliebt, bekommt aber Gewissensbisse, als er das Schwert zwischen sich und der Geliebten findet, verläßt sie und läßt sie versprechen, um seinetwillen Pellias zu lieben. Das klappt auch irgendwie, Pellias und Ettarde heiraten, und es bleibt kein Groll zwischen den Parteien zurück. Zuvor hat Gawain übrigens seine Jungfrau schon verloren, weil sie mit jemand anders weggeritten ist, als er mit einem Ritter kämpfte. Nachdem die Sache mit Pellias geklärt ist, rächt er sich an dem Ritter, der die Jungfrau - und übrigens auch seinen Knappen - mitgenommen hat, indem er ihn vom Pferd tjostet und ihm dabei den Arm bricht. Jungfrau und Knappe nimmt er aber nicht wieder mit, auch wenn die mit wollen.
Auch die Geschichte mit der Jungfrau, die von Ritter und Zwerg umworben wird, kommt vor. Gawain wird zum Richter bestimmt, läßt die Jungfrau wählen und sie wählt den Zwerg, weil der Ritter sie schon schlecht behandelt hat. Der Ritter bricht weinend zusammen - später trifft Gawain Jungfrau und Zwerg wieder und der behandelt sie auch schlecht. Gawain versohlt den Zwerg mit der Breitseite seines Schwertes.

Morholt kriegt die mittlere Jungfrau und besteht auch eine Reihe Abenteuer, bei denen er Leute vom Pferd tjostet. Dann finden sie einen Stein im Wald mit einer Inschrift, die besagt, dass es sehr gefährlich ist, hier über Nacht zu lagern, weil es hier Gralswunder zu sehen gibt, und das die meisten nicht überleben oder doch zumindest schwer verwundet werden. Morholt, Dame und Knappe bleiben trotzdem da, die wundersamen Dinge geschehen und sind sehr symbolisch mit kämpfenden Rittern, einem Hisch, Jagdhunden und einem Drachen, und Dame und Knappe sterben noch vor Sonnenaufgang. Morholt wird nur schwer verwundet, weiß aber nicht, von wem. Er wird von zwei hilfsbereiten Rittern aufgelesen, die ihn aber wieder liegenlassen, als sie erfahren, wer er ist - er hat den Bruder des einen getötet oder sowas. Zum Glück kommt dann Gawain vorbei.

Da beide jetzt ohne Dame sind, reiten sie gemeinsam weiter, als Morholt sich erholt hat und kommen an den Fels der Jungfrauen. Der ist riesig und viereckig und oben drauf leben zwölf zauberkräftige Jungfrauen, die ständig über die Zukunft reden. Gawain und Morholt lauschen und erfahren, wie sie sterben werden (das stimmt übrigens genau mit den gängigen Versionen überein), dann verlangen sie, auf den Fels gelassen zu werden. Ihr Wunsch wird erfüllt, sie werden auf den Fels versetzt, Gawain bändelt mit der ältesten Jungfrau an, der Morholt mit der Jüngsten, und sie leben dort oben in glücklicher Verzauberung.

Ywain (ich vergaß zu erwähnen, dass die ganze Herumzieherei davon in Gang kommt, dass Artus Ywain vom Hof verbannt hat, Gawain aus Treue zum Cousin mitgegangen ist, und sie Morholt unterwegs getroffen haben), hat die alte Jungfrau abbekommen und besteht ebenfalls viele Zweikämpfe. Dann kommt auch er an den Stein mit den Gralswundern. Seine Dame hat Angst und will schnell weg, aber er überredet sie zu bleiben. Während sie auf die Nacht warten, kommen Girflet (Griflet) und Keux (Kay) vorbei. Die beiden sind auf der Suche nach Ywain, um ihm zu sagen, dass Artus die Verbannung aufgehoben hat. Man einigt sich darauf, sich erst zum vereinbarten Zeitpunkt mit Gawain und dem Morholt zu treffen, und dann zusammen nach Camelot zu reiten, in der Zwischenzeit überredet Ywain auch die beiden, mit auf die Wunder des Steins zu warten. So weit kommt es aber nicht, denn es erscheinen zwei weitere Jungfrauen, die eine bittet Griflet um einen Gefallen, die andere Keux, und da das Versprechen gegenüber eine Dame wichtiger ist als das gegenüber einem Ritter, reiten die beiden weg. Zum Glück, denn auch wenn es in dieser Nacht so finster ist, dass sie alle die Wunder des Grals nur hören können, sterben Dame und Knappe und Ywain wird schwer verwundet.
Außerdem hat er Griflet und Keux nicht zugehört, denn als er später in einem anderen Wald Guinevere trifft, ist ihm vollkommen neu, dass Artus ihm nicht mehr böse ist. Egal, er ist jedenfalls am Hof willkommen, und weil eine hilfreiche Jungfrau ihm das verraten hat, weiß er auch, wo Gawain ist (den sucht der Hof ja auch), und dass nur Gaheriet den Bruder retten kann.

An dieser Stelle greift die übliche Verwirrung bei mir darüber, welcher Bruder jetzt welcher ist, aber Gaherit ist dann wie erwartet doch Gareth, während Guherreth Gaheris ist. Außerdem ist Agrawain dabei, und der ist ein Blödmann, denn als sich Gareth aufmacht, Gawain zu retten, reitet der ihm nach, um ihn zu erschlagen. Nicht, weil er Gawain was Böses will, sondern weil er beweisen will, dass er ein besserer Ritter ist als Gareth.
Auch hier folgt eine Reihe Abenteuer und Zweikämpfe, Gareth erschlägt einen Riesen, und erschlägt den Sohn eines Adligen beim Gottesurteil nicht. Einer hilfreichen Jungfrau verspricht er vorschnell einen Gefallen für ihre Hilfe, und sie fordert von ihm, die neue Geliebte ihres Ex-Geliebten zu enthaupten. Zu Gareths großem Glück sieht die Jungfrau aber doch noch ein, dass das keine gute Idee ist (genaugenommen hält ihr der Ex-Geliebte sein Messer an den Hals, während Gareth hinter der anderen Dame herrennt), also geht die Sache gut aus. Auch Gawain und Morholt werden gerettet und alle sind glücklich.

Ein wunderbares Buch. Es hat alles, was ich mir von einer Artus-Geschichte wünsche und es ist richtig schön altmodisch. Es ist bunt, spaßig und voll von seltsamen Ideen und Wendungen, die aber nie zu weit gehen und zwar Logiklücken haben, aber nie wirklich bekloppt werden. Die Charaktere sind stereotyp gezeichnet, aber stimmig, und mit Ausnahme von Agrawain kommen sie alle recht gut weg, auch wenn einige große Schwächen haben. Selbst Gareth ist sympatisch, auch wenn wildfremde Damen vom See plötzlich auftauchen und ihm Rosenkränze aufsetzen, weil er so toll ist. Viele Episoden habe ich noch nie irgendwo anders gelesen, dafür gibt es auch sehr viele Bezüge auf sehr bekanntes Matererial wie z.B. die Todesprophezeihungen (die gibts übrigens auch für Ywain und Gareth, und auch die entsprechen exakt dem allgemein Anerkannten). Es gibt auch andere Verweise, die ich nicht kenne. Gareth z.B. soll eine Sünde begehen, die den Tod seiner Mutter beschleunigt - davon hat auch der Herausgeber des Buches noch nie woanders gehört, zumal auch nicht ganz klar ist, welche Stiefschwester von Artus in diesem Buch besagte Mutter ist. Mein Lieblingsverweis ist der, dass Galahads Kommen in der Woche stattfinden wird, nach der Gawain einen Stein nach einem Hund wirft und dabei Ywain an der Stirn verletzt. Schade, dass diese Episode auch nirgendwo ausgeschrieben zu stehen scheint, die würde ich wirklich gerne lesen.

Ganz große Klasse.

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