Jan. 1st, 2020

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"111 Gründe, Wales zu lieben", Garbiele Haefs
"Welsh and Proud of it", Cerys Jones

Wie man schon an den Namen sieht, ist Frau Haefs Deutsche und Frau Jones (höchstwahrscheinlich) Walisierin. Beide haben ein Buch darüber geschrieben, was an Wales toll ist. Weil Wales toll ist, und weil man darum ein Buch darüber schreiben muss, um das möglichst vielen Leuten mitzuteilen. Es ist also im Grunde genommen zweimal die gleiche Art von Buch.

Ein deutlicher Unterschied ist, dass Frau Haefs knapp 300 Seiten zur Verfügung hat, Frau Jones nur knapp 50. Daher nimmt jeder einzelne Grund bei Frau Haefs sehr viel mehr Platz ein als jeder Punkt der Aufzählung bei Frau Jones. Mehrere Seiten gegenüber ca zehn Zeilen. Da Frau Jones den Vorteil hat, niemandem erklären zu müssen, wo Wales liegt, fällt der ganze Platz dafür schonmal weg. Auch Frau Haefs hätte viel Platz sparen können, wenn sie weniger oft erwähnt hätte, wo genau Wales liegt, und dass man auf der Reise nach Irland darüber fallen kann - und überhaupt, warum nach Irland fahren, Wales ist doch viel toller und hat alles, was Irland auch hat und noch viel mehr. Ich verstehe, dass man als Autorin nicht davon ausgehen kann, dass jeder Leser das Buch von hinten nach vorne durchliest, gerade bei Aufzählungen, aber das wurde doch irgendwann sehr repetitiv.

Auch ist mir nicht klar, wer "111 Gründe..." eigentlich geschrieben hat. Frau Haefs steht als Autorin auf dem Buchdeckel, ihre Kurzbiographie ist hinten drin. Im Text ist mal von "ich" die Rede, mal von "wir" und mindestens einmal wird auch von einem Autorenkollektiv gesprochen. Mehr noch, es fällt bei "wir" auch gerne mal "wir Waliser".

Beide Bücher sind unterhaltsam und bieten random Informationen über Land, Leute und Kultur. Nichts davon ist obskur oder spektakulär, aber es ist nett. Frau Jones bleibt dem Platz geschuldet kurz angebunden und bei Fakten, was ihrem Buch eine sehr viel höhere Informationsdichte verleiht. Frau Haefs erzählt einfach, was ihr gerade zum gegebenen Grund einfällt, egal, ob das mit dem Grund etwas zu tun hat oder nicht. Das führt zu dem Gefühl, dass man sich den ein oder anderen Grund auch hätte sparen können und dass es vielleicht doch nicht für 111 gereicht hat, auch wenn uns Frau Haefs immer mal wieder versichert, dass man alleine mit walisischen Tunneln/Burgen/Stränden/bittehierwaseinsetzen ganze Bücher füllen könnte.

Bei Frau Jones sind mir Rechtschreibfehler aufgefallen, der überraschendste im Zitat "Ynys Môn, Mam Cymru", wo ausgerechnet "Cymru" falsch geschrieben ist. Bei Frau Haefs ist schlecht lektoriert worden, denn es fehlt mehr als einmal ein Verb, eine Satzstellung ist missverständlich oder ein Bezug schlichtweg falsch.
Und dann kam der Punkt, an dem sich die Autorinnen widersprechen.

Frau Haefs' Grund Nummer 38 ist "Weil Wales so ungefähr das einzige Land ist, das noch nie einen Literaturnobelpreis abbekommen hat". Frau Jones nennt im Kapitel "The Write Stuff" Bertrand Russell, der 1950 den Literaturnobelpreis gewonnen hat.
Fragen wir doch einfach mal Wikipedia.

Ergebnis: Sowohl deutsche als auch englische Wikipedia sagen, dass Bertrand Russell 1950 den Nobelpreis für Literatur gewann. Beide sagen auch, dass er bei Trellech geboren wurde, und zwar am 18.Mai 1872. Trellech liegt in Monmouthshire (ich glaub, da sind wir mal unfreiwillig mehrfach dran vorbeigefahren), und das ist in Wales.

Ich bin also erstaunt, dass es in einem Buch von 2019 ein ganzes Unterkapitel über einen Grund, Wales zu lieben, gibt, der schlichtweg falsch ist, und frage mich, was in diesem Buch vielleicht noch alles falsch sein könnte. Ein paar Dinge kamen mir komisch vor, aber da war ich zu faul zur Kontrollieren...

Zur ausgleichenden Gerechtigkeit möchte ich noch erwähnen, dass ich Frau Jones' These, dass Alfred Wallace ein enger Freund von Charles Darwin war, für sehr gewagt halte. Schon alleine, weil sämtliche Biographen beider Männer das anders sehen und zum Teil auch ausführlich erklären, warum das nicht so ist. Aber das würde jetzt zu weit führen.

Man kann beides gut lesen. Wer einfach nur Fakten will, ist mit Frau Jones' Buch besser dran. Wer flapsige, lockere Unterhaltung angereichert mit ein paar Anekdoten will, hat mehr von Frau Haefs' Werk.

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