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Wernigerode liegt in Sachsen-Anhalt, im Norden des Harz. Es gehört zum Harz-Kreis, Autokennzeichen HZ, hat aber ein eigenes Unterkennzeichen, WR. Es hat ca 33 000 Einwohner und eine Dependance der Harzer Hochschule für angewandte Wissenschaften. Da Wernigerode außerdem - neben einem normalen Bahnhof - auch einen Bahnhof der Harzer Schmalspurbahn (HSB) hat, von dem die Harzquerbahn und die Brockenbahn fahren, hat diese Hochschule als einzige Hochschule Deutschlands eine eigene Bahnhaltestelle, an der regelmäßig Dampfzüge halten.


Abgesehen von der HSB, deren Fahrten, gerade zum Brocken, eine der Hauptattraktionen für Touristen darstellen, hat Wernigerode auch noch eine Menge Fachwerkhäuser aus verschiedenen Jahrhunderten und darum eine sehr sehenswerte Innenstadt. Das wiederum verdankt die Stadt Oberst Gustav Petri, der sich im April 1945 weigerte, die Stadt "bis zum letzten Mann" zu verteidigen, als die Amerikaner anrückten. Darum wurde Wernigerode im Gegensatz zum nahegelegenen Halberstadt nicht dem Erdboden gleichgemacht und kann heute mit eben dieser alten Architektur prunken. Oberst Petri wurde für seine Befehlsverweigerung standrechtlich erschossen, aber Wernigerode weiß, was sie ihm schulden, denn sie haben eine Straße nach ihm benannt und er hat eine Plakette am Stadtbrunnen auf dem Marktplatz, wo alle besonderen Wohltäter der Stadt geehrt werden.

Besagter Marktplatz mit seinem berühmten Rathaus ist das Zentrum der Stadt und quasi auf jeder Postkarte abgebildet. Im Sommer ist da sicher die Hölle los, oder auch, wenn mal wieder Weihnachtsmarkt ist. Wernigerode hat seinen Weihnachtsmarkt dieses Jahr vernüftigerweise abgesagt. Noch ein Pluspunkt für die Stadt (im Gegensatz zu Quedlinburg).

Abgesehen davon, dass sie schön ist, macht die Wernigeröder Innenstadt auch einen lebendigen Eindruck, mit vielen Geschäften und Cafés. Es gibt nicht nur Souvenirläden und es gibt neben einer Filiale von Thalia noch zwei weitere, unabhängige, Buchläden.

Das Stadtwappen zeigt eine Stadtbefestigung und eine Forelle, basierend auf einer Legende, dass ein Nachtwächter, der seine Runden machte, durch Lärm an einem der Stadttore aufgeschreckt wurde. Es klang, als würde jemand versuchen, gewaltsam einzudringen, also alarmierte er die Stadtwache - es stellte sich dann heraus, dass sich eine Forelle im Gitter des unter dem Stadttor liegenden Abflusses verfangen hatte, und im Versuch, sich zu befreien, ständig gegen die Gitter schlug.
Das offizielle Stadtmotto ist "Die bunte Stadt am Harz", und stammt nicht etwa von einem findigen Slogan-Design-Büro, sondern von Hermann Löns, der Wenigerode auf seiner Harzreise so bezeichnete.

Weithin sichtbar oberhalb von Wernigerode liegt das Wernigeröder Schloss. Es ist zu Fuß über mehrere Wege von der Stadt aus erreichbar und selbst im November fahren auch noch zwei Touristenbahnen hoch, wenn man das nicht laufen will.
Auch wenn schon seit dem Jahr 1213 die Existenz einer Burg verbürgt ist, stammt der aktuelle Bau aus dem 19.Jahrhundert und ist, wie Schloss Drachenburg in Königswinter und Schloss Marienburg in Hildesheim, historistisch. Das heißt, es hat nicht nur eine spektakuläre Lage mit einer tollen Aussichtsterasse, sondern auch alles andere, was man sich von einem Burgbesuch wünschen kann. Türmchen, Zinnen, Statuen, Schnitzereien, einen tollen Treppenaufgang, eine gotische Kapelle und nicht zu vergessen etwa 50 Räume im Museum, die zu einem großen Teil noch in Originalzustand mit allen orginalen Bildern, Möbeln und Wandtapeten sind. Zur Vorweihnachtszeit haben sie zusätzliche Informationstafeln in den Räumen verteilt, auf denen Texte aus Tagebüchern und Briefen stehen, in denen Mitglieder der Familie und des Haushalts der Grafen zu Stolberg-Wernigerode beschreiben, wie die Adventszeit und das Weihnachtsfest auf dem Schloss begangen wurden. Eine sehr schöne Idee, die noch mehr Leben und Menschlichkeit in ihre Präsentation bringt.

Auch der Rest ihrer Informationen ist sehr interessant und bietet eine Menge Details - Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode, dem das Schloss sein heutiges Aussehen verdankt, war der wichtigste Mann am Hofe von Kaiser Wilhelm I., und das nutzen sie, um Dinge über Hoforganisation und Hierarchen zu erklären, das war auch etwas Neues. Schade war nur, dass die Speisenfolge für das Kaiser-Dinner nicht lesbar ausgestellt wurde. (Generell ist die Entscheidung, alle Texte schwarz auf Gelb zu drucken, eher schwierig, weil das schlecht lesbar ist. Noch schlechter lesbar die Transkription eines Briefes von Graf Otto an den Kaiser, denn die war schwarz auf blau.)

Zur Zeit unseres Besuches war 2G, es wurde kontrolliert, aber nur das Vorhandensein eines Codes, nicht der Personalausweis. Gut gelungen dafür das Konzept, das ganze Museum zur Einbahnstraße zu machen und die Besucher auf zwei Rundwegen hindurchzuleiten. Das klappt gut, es verhindert Pulks und man hat trotzdem nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Und wir haben mehrere Leute gesehen, die die Rundgänge beaufsichtigten und Türklinken und Oberflächen desinfizierten.

Schloss Wernigerode ist bereits eine vielbesuchte Touristenattraktion, darum hat es wenig Sinn, es weiter zu bewerben - es ist zu Recht eine vielbesuchte Touristenattraktion. Ein tolles Gebäude, schöne Zimmer, gut präsentiert... das lohnt sich. Und wenn nicht grade Pandemie ist, sind sicher auch ihre Taschenlampenführungen eine tolle Idee.
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