May. 22nd, 2011

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Die Produktion spielt im New London Theatre und ist mittlerweise auf open end eingerichtet. Eigentlich war es ein Stück des National Theater, das wegen des großen Erfolgs umgezogen ist. Stadttheater goes West End sozusagen - und es ist seit Jahren ausverkauft. Karten am Tag selbst zu kriegen, ist nahezu unmöglich, auch ein oder zwei Tage im Voraus wäre ein Glückstreffer. Darum habe ich mir meine schon vier Wochen vorher mitbringen lassen. Sichergehen, daß es wirklich klappt.

Es geht um die Freundschaft eines Pferdes, Joey, und eines Jungen, Albert. Joey wird eingezogen, um im Ersten Weltkrieg zu dienen, Albert, obwohl erst sechzehn und damit zu jung, folgt ihm die in Hölle der Schützengräben zwischen Frankreich und Deutschland. Am Ende kehren sie beide zusammen wieder nach Hause zurück, denn es ist ein Kinderbuch. (Mein Post zum Buch ist hier.)
Im Buch wird alles aus der Sicht des Pferdes erzählt, was auf der Bühne nicht geht, denn die Tiere sprechen nicht. Das macht es weniger unmittelbar, auch das Unverständnis gegenüber dem Krieg fehlt, und die deutliche Darstellung davon, daß Tiere nicht zwischen Nationalitäten unterscheiden. Joey dient unter verschiedenen Herren und für jeden, der gut zu ihm ist, strengt er sich genauso an, egal ob Brite, Franzose oder Deutscher. Und im Gegensatz zum Stück kennen die Pferde im Buch auch keine Sprachprobleme. Auf der Bühne müssen sie schon aus Handlungsgründen für die Zuschauer englich mit den Pferden sprechen, auch wenn sie sich sonst Mühe geben, die Deutschen deutsch sprechen zu lassen und die Franzosen französisch.

Trotzdem gelingt es ihnen, die Essenz des Buches zu treffen. Das liegt vor allem daran, daß sie eine Möglichkeit gefunden haben, die Pferde darzustellen - je drei Puppenspieler bewegen ein lebensgroßes Tier und erwecken es zum Leben. Das Konzept funktioniert ausgezeichnet - übrigens auch mit der Gans, die über die Begeisterung für die Pferde immer vergessen wird. Erst ist es beeindruckend, dann vergißt man innerhalb von Minuten, daß die Tiere nicht echt sind. Sie bekommen Charakter und sind lebendig. Wenn man darüber nachdenkt, ist es eigentlich unfassbar, daß drei Menschen so eng und perfekt zusammenarbeiten können, daß sie gemeinsam ein einziges Wesen ergeben. Aber während des Stücks denkt man nicht darüber nach, dazu kommt man gar nicht.

Ihre Licht- und Toneffekte tun das Übrige. War Horse kommt ohne echte Kulissen aus, nur mit einer toll spielenden Cast, einem Folksänger und eben den Puppen und ein paar Requisiten. Auch der Panzer am Ende war genau betrachtet nicht wirklich viel mehr als ein paar Stangen, aber trotzdem... in dem Moment, in dem er auf Joey zufährt und der deutsche Soldat in dem Versuch, ihn aufzuhalten und Joey zu retten, stirbt, ist er so real, wie er nur sein kann.

Das Stück ist erschreckend, beängstigend und geht unter die Haut. Echt starker Tobak, emotional sehr anstrengend. Es ist ein Kriegsstück, um das nochmal zu betonen, und trotzdem ist die Empfehlung als Kinderstück gerechtfertigt. Ab sieben, aber nur, weil es so viel Text hat. Brutal in dem Sinne ist es schon, weil es viele Tote gibt, aber es ist kein Gemetzel mit viel Blut und dergleichen. Abstrahiert, aber darum nicht weniger heftig. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, daß ich niemals einen Krieg erleben will.

Und vor allem ist "War Horse" einfach ein verdammt starkes Stück Theater.
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Angeblich geht es um die Nacht im Dezember 1956, in der sich Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins und Johnny Cash mehr oder weniger zufällig bei Sun Records getroffen haben.
Die Macher der Show behaupten ständig, daß diese Show ist, wie Fliege an der Wand in dieser Nacht zu spielen, und haben gleichzeitig auch kein Probem damit, Songs zu bringen, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geschrieben waren. So wie ihre Handlung wahrscheinlich auch zu 90% wahr ist, aber nicht in dieser Nacht stattfand... egal. Sam Phillips, der Besitzer von Sun Records, ist sowas wie der Erzähler, der darlegt, wie er die Jungs kennengelernt hat und dergleichen.
Sie zeigen Elvis als unsicheren Jungen, der mit seinem Erfolg nicht umgehen kann, Johnny als geläuterten Familienmenschen, Carl als desillusionierten Trinker und Jerry Lee als über-selbstbewußten Egomanen.

Die Show dauert nur 1 Stunde 40 und hat keine Pause. Vollpreistickets kosten bis zu 80 Pfund, der Platz, auf dem ich saß, immer noch 60 Pfund, ich habe an der Half Price Ticket Booth 39,50 Pfund bezahlt und das war noch immer zehn zuviel. Mindestens.

Vorab: ich hatte überhaupt nur die Idee, mir das anzusehen, weil sie genau meine Musik spielen. Und weil sie einen Jerry Lee Lewis auf der Bühne haben, und der dann Klavier spielt. Also habe ich am Ticketschalter tatsächlich gefragt, ob sie eine Karte auf der Bühnenseite mit dem Piano haben. Daraufhin wurde mir gesagt, das ist rechts und ich bekam eine Karte für die rechte Seite. Das Piano stand aber dann wie auch am Broadway links... ansonsten war die Karte aber perfekt. Tolle Sicht, große Klasse. Nur eben auf der falschen Seite.

Jerry Lee Lewis war nicht ihre Erstbesetzung. Trotzdem spielte er ausgezeichnet Klavier und auch den Kotzbrocken gab er glaubwürdig - wenn er nur nicht die ganze Show über den Eindruck gemacht hätte, als hätten sie ihn auf die Bühne geprügelt und er würde nur weitermachen, weil im Gang jemand steht, der ihn erschießt, wenn er die Bühne wieder verläßt, bevor die Show zuende ist. Ein bißchen Begeisterung hätte ich mir schon gewünscht, aber wahrscheinlich kostete ihn das Klavierspiel nur dermaßen viel Konzentration, daß er nebenbei nichts anderes mehr tun konnte. Wenn wir mal ehrlich sind, der Part ist verdammt schwer. Wer spielt schon Klavier wie Jerry Lee Lewis? Okay, außer Levi Kreis jetzt...

Ihr Johnny Cash hatte eine tolle Stimme, tief und volltönend, und alle Cash-Fans im Publikum fanden ihn toll. Was nicht wenige waren, denn die jubelten schon, bevor er überhaupt einen Ton gesungen hatte. Einfach für die Ankündigunge "Johnny Cash". Freut mich für den Darsteller, wenn schon seine Rolle so gar nichts hergibt.

Ihr Elvis konnte die Bewegungs-Manierismen des King toll nachahmen, wirkte aber eben genau so. Tolle Elvis-Show, auf jedem Tribute-Konzert hätte ich ihn geliebt, aber für ein Musical war zu wenig Spiel dahinter. Aber auch die Rolle gibt nichts her.

Ihr Carl Perkins (Oliver Seymour-Marsh) war der Einzige, der wirklich überzeugte. Er spielt Gitarre wie der Teufel, so daß es dabei auch noch ganz leicht und selbstverständlich wirkt, und er hat sichtbar Spaß dabei. Er singt toll und darüber hinaus ist er ein so guter Musiker, daß er noch Zeit hat, was mit seiner Rolle zu machen - seine ist auch die Einzige, die sowas wie eine Entwicklung durchmacht, und wenn es nur Interaktion mit Jerry Lee ist, den Carl zu Beginn der Show spontan haßt und dann langsam doch dazu kommt, ihn als Musiker zu akzeptieren - sie spielen zuerst gegen- und am Ende miteinander. Daß ich das als Entwicklung bezeichne, zeigt schon, wieviel "Handlung" dieses Stück wirklich hat.

Sam Phillips muß damit fertig werden, daß "seine Jungs" in verlassen - aber im Grunde nervt er nur. Er unterbricht mit seinen Monologen immer wieder die Musikstücke, und weil das Stück nur dann wirklich gut ist, wenn sie Musik machen, nervt es umso mehr.

Mein Rat für die Macher: schmeißt die Handlung weg. Macht es wie am Ende, erfindet euch ein fiktives Konzert, laßt die Jungs Musik machen und meinetwegen zwischendurch über Musik und über Sam Phillips (oder ihn über die Jungs) reden, wenn ihrs unbedingt ein Musical nennen wollt, aber unterbrecht nicht ständig die Songs. Und vor allem, findet drei weitere Musiker/Sänger, die die Klasse von Oliver Seymour-Marsh haben, damit ihr eine Crew habt, die die Bühne richtig rocken kann. Und damit nicht ausgerechnet der, auf den keiner achtet, um Klassen besser ist als der Rest - die Klagen von Carl Perkins im Stück über seine fehlende Bekanntheit bekamen da schon fast eine doppelte Bedeutung.

Ich war aber der Einzige, ders nicht durchweg toll fand. Der Saal tobte und es wurde sogar in den Gängen getanzt... ich glaub, ich bleib lieber dabei, mir die Broadway Cast Recording anzuhören. Die ist nämlich absolut großartig. Und die Songs werden auch nicht unterbrochen.
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Sie sind noch in den Previews, darum verkaufen sie die Karten billiger. 45 statt 60 Pfund in der teuersten Kategorie. Sie verkaufen auch day tickets mit side view, weit vorne ganz am Rand, dann wird es nochmal billiger, wenn man früh genug am Theater ist und Glück hat, welche abzubekommen. 20 Pfund für eine Karte in Reihe vier, von der man eigenlich alles sieht, das geht mehr als in Ordnung. Das Dury Lane ist ein großes Theater und es war voll. Voll mit Enthusiasten, die entweder den Film sehr lieben, die Cast, die Show oder alles zusammen. Shrek und Fiona brauchten nur aufzutreten, und der Saal tobte.

Man darf die Show nicht ernst nehmen. Sie ist schrill, albern, bunt, durchgeknallt und voll von Seitenhieben auf andere Shows. Manchmal ist ihr Niveau beinahe unterirdisch niedrig - wer hätte schon gedacht, daß wir mal ein Furzduell in einer großen West End Show sehen würden? Da muß man einfach mit Humour dran gehen, aber dann ist sie richtig gut und man kann viel Spaß damit haben.

Wo sie das Geld gelassen haben, sieht man sofort. Es ist eine Ausstarttungsorgie. Bühne, Kostüme, großes Ensemble, an nichts wurde gespart. Der Aufmarsch der Märchenfiguren ist bühnenfüllend, und jeder hat sein eigenes, buntes Kostüm und ist zu erkennen (auch wenn ich nicht weiß, wer die Plum Fairy ist). Ihre Tanzszenen sind schmissig und unterhaltsam, die Brücke über den Magma-Fluss ist großartig (leider ist die Szene sehr kurz und eigentlich auch vollkommen belanglos), und allem voran steht ihr Drache. Die ist ein lebensgroßes Requisit, gespielt von vier Puppenspielern aus dem Ensemble und gesungen von einer Frau mit einer großartigen Stimme. Dadurch, daß der Drache sich frei auf der Bühne bewegen kann, mit den Flügeln schlagen, fliegen und dergleichen, wirkt er sehr lebensecht, das Konzept geht auf und es ist richtig schade, daß er nur in einer einzigen Szene auftritt. Große Klasse.
Auch Fionas Verwandlungen werden reibungslos und gut gelöst, auch wenn es wahrscheinlich nur bei der Dritten die Darstellerin selbst ist, die umgeschminkt wird - grüne Farbe geht halt nicht so schnell wieder ab. Trotzdem beeindruckend glaubhaft, und die letzte ist noch immer sehr schnell und trotzdem vollständig - Hut ab.

Sie haben auch eine Menger kleiner Details am Rande, wie das Piepen an Farquaats Pferd, wenn es zurücksetzt, und Pinoccios Nase, die wächst, wenn er lügt, Liebe zum Detail ist also auch vorhanden.

Nicht zu vergessen, haben sie eine tolle Darstellerriege. Der Beste im ganzen Trupp ist Farquaat (Nigel Harman), der die gesamte Show auf den Knien spielen muß, um der Größe der Rolle gerecht zu werden, und die komödiantischen Seiten seiner Rolle voll auskostet. Dazu hat er eine Menge Gelegenheit, denn jeder seiner Auftritt ist absurd und an sich schon übertrieben - er spielt mit Begeistung, Elan, und nimmt alles mit, was die Rolle bietet. Der Mann alleine ist die Show schon wert.
Gegen ihn verblassen Shrek und Fiona beinahe schon, Donkey finde ich schon von der Rolle her eher nervig, und er spricht auch rollengemäß undeutlich. Nicht so schimm wie Eddie Murphy im Film, aber es killt doch ein paar Pointen, die ich einfach nicht verstanden habe.

Singen können alle großartig, Fiona kann auch noch toll steppen. Es gibt der Show eine gewisse Mühelosigkeit, die sie leichter macht und die dazu beiträgt, daß sie Spaß macht.

Vom Text hat sich mir nicht viel eingeprägt, aber er rangiert von platt bist wirklich witzig und ist immer auf Lacher aus. Das Publikum wird als Volk von Dulop immer wieder integriert und angesprochen - paßt schon. Sie machen das konsequent, darum stört es mich nicht.
Die Musik - sie haben einen eigenen Score, das muß man heutzutage ja immer lobend erwähnen - ist flott, altmodisch und fröhlich, unterbrochen von der ein oder anderen Ballade. Viel im Ohr bleibt einem davon nicht, denn sie machen als letze Nummer "I’m a believer" in Anlehnung an die Karaoke-Szene von der DVD. Die hat Powwr, die macht Spaß, die hat Drive... also verläßt man das Theater "I’m a believer" singend, was schade für ihren Score ist. Aber man verläßt es gut gelaunt und mit dem Gefühl, zweieinhalb Stunden gut unterhalten worden zu sein, und das ist ja auch der ganze Anspruch der Show.

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