Mar. 29th, 2014

blauerfalke: (narnia)
Es spielt das Junge Theater Bonn, und es handelt sich natürlich um "The Lion, the Witch and the Wardrobe", nicht um alle sieben Teile auf einmal.

Der Bühnenbau hatte tolle Ideen. Die Bühne ist spartanisch, mit teiltransparenten Seitenwänden, die von hinten beleuchtet werden können, so dass das durchscheinende Licht verschiedene Stimmungen erzeugen kann. Hinten mittig ist der Wandschrank eingelassen, der je nach Anforderungen beim Öffnen die Pelzmäntel oder die Straßenlaterne im Wald zeigt. Dazu gibt es noch eine Reihe von Stufenpodesten, die herumgeschoben werden können, und vom Steintisch über den Bieberbau und den Schlitten der Hexe bis hin zum Treppenhaus des Manors alles darstellen. Meistens werden sie auch zweckmäßig herumgeschoben, nur manchmal wirkt es übertrieben. Das war alles gut durchdacht und stimmig. Es hätte also so schön werden können.

Es ist immer ein Risiko an einem Haus ohne Profi-Sänger ein Musical aufzuführen. Es ist ein noch größeres Risiko, dabei Kinder auf der Bühne singen zu lassen. Dem Jungen Theater ist es anzurechnen, dass sie diese Risiken eingehen. Dennoch gibt es einige Momente, in denen man sich wünscht, sie hätten es nicht getan.

Aber das eigentliche Problem liegt sehr viel tiefer: es liegt am Stück. Die Handlung folgt treu dem Buch, nur eine zusätzliche Ebene wurde eingeschoben: Der Vater der vier Kinder ist jetzt Pilot im Krieg und gefallen, und Lucy weigert sich darum, sich von dem Taschentuch, dass ihr einziges Erinnerungsstück an den Vater ist, zu trennen. Schon bevor sie Herrn Tumnus trifft, wird um dieses Taschentuch ein riesiges Hantier gemacht, und das stört bereits. Dann fragt Herr Tumnus sie nach einem Taschentuch und sie sagt "nein" - das wirft ein ganz anderes Licht auf Lucy als ihre besorgte Hilfsbereitschaft, mit der sie dem weinenden Faun im Buch ein Taschentuch anbietet. Gut, da ist es ein beliebiges Taschentuch, aber das hätte mir Lucy sympatischer gemacht.
Generell bleibt die Charakterisierung der vier Kinder blass. Einzig Edmund darf sein von der Hexe verzaubert sein sowas wie ausspielen. Sonst ist er einfach nur sinnlos gemein (und was soll eigentlich dieser Quatsch mit der Idee, einen Bunker im Garten zu buddeln?), Peter und Susan zeigen keinerlei Initiativen oder eigene Charakterisierungen und Lucy kann wie schon erwähnt, nicht die Ehrlichkeit und Unschuld verkörpern, für die sie steht.
Und dabei sind die vier Pevensies noch gut weggekommen.

Der Professor ist nicht der etwas verschrobene, aber durchaus geduldige und auch weise Mann des Buchs, sondern ein kindischer Verrückter, der alberne Scherze macht und seine wichtigsten Sätze - "Es gibt nur drei Möglichkeiten: eure Schwester lügt, sie ist verrückt oder sie sagt die Wahrheit. Sie ist eine ehrliche Person und sie ist offensichtlich nicht verrückt. Also müssen wir bis auf Weiteres davon ausgehen, dass sie die Wahrheit sagt." - wurden zugunsten eines weiteren albernen Witzes gestrichen.
Herr Tumnus ist eine weinerliche Heulsuse, und er und Lucy wechseln so wenig Worte miteinander, dass es keine Chance gibt, eine Freundschaft zu entwickeln. Die Bieber sind zwei comic relief-Klamauk-Charaktere (er heißt Justin mit Vornamen, das sagt schon alles), die sich einen running gag nach dem nächsten liefern, aber immerhin bei der Zielgruppe Kinder großartig ankommen damit.

Ernst nehmen kann man in der ganzen Konstellation nur die Hexe, ihren Zwerg und Aslan selbst. Der Zwerg hat sehr viel mehr Text als im Buch und sehr viel mehr Charakter. Das passt aber nahtlos zu dem, was im Buch steht, nur dass er etwas respektsloser ist.
Die Hexe dagegen verbessert mit jedem Auftritt das Stück spürbar, und ich denke, das liegt vor allem daran, dass sie nichts tut und sagt, was nicht auch im Buch steht. (Okay, mal abgesehen von diesen seltsamen Fremdworten/Beschwörungsformel/wasauchimmer bevor sie Aslan tötet). Ihr Charakter ist seinem Ursprung treu, macht darum Sinn und ist stimmig, und das gibt ihr Stärke und Präsenz.
Aslan wird von einem Schauspieler gespielt, der einen großen Löwenkopf an einer Stange mitführt. Die Idee ist gut und wäre noch besser gewesen, wenn er diesen Löwenkopf wenigstens so weit benutzt hätte, dass er in die richtige Richtung sieht... auch ohne das ist es gut gemacht, aber auch Aslan sagt und tut nichts, was nicht auch im Buch steht, und das gibt dem Charakter Kraft und Glaubhaftigkeit.
Mit anderen Worten, wenn sie ihren anderen Charakteren auch treu geblieben wären anstatt eine Pantomime draus zu machen, wäre es wahrscheinlich sehr viel besser geworden.

Da das Ganze ein Musical ist, wird gesungen. Nicht immer gut, aber das ist auch nicht weiter schlimm, denn die Songs sind so repetitiv, dass man sich währenddessen schon fragt, ob sie wirklich noch zum achten Mal den Refrain singen müssen, und so belanglos, dass man den Song direkt nach Ende schon wieder vergißt. Im zweiten Akt hatte ich irgendwann das Gefühl, dass sie überhaupt nur noch eine Melodie singen, nur in verschiedenen Tonarten und Tempi. Es ist kein Showstopper dabei, kein Solo und schon gar kein Lied mit Gefühl. Ich neige sogar zu sagen, dass Stück wäre besser gewesen, wenn sie gar nicht erst gesungen hätten. Das hätte ihnen auch mehr Zeit für ihre Charaktere gegeben, oder auch nur dafür, dass ihre Schauspieler langsamer sprechen könnten. Auch wirken viele der Songs irgendwie peinlich, was dann dann mit Father Christmas und seinem "Immer Winter, niemals Weihnacht"-Lied den Höhepunkt erreicht. Clownballett-tanzende Rentiere mit roten Nasen, absichtlich unsynchrone goldhaarige Rauscheengel und ein tanzender Weihnachtsbaum. Und ein Weihnachtsmann, der Susan statt des Horns beinahe eine Croissant überreicht und sich aus der Flasche mit Lucys Heilelixier hinter ihrem Rücken erstmal einen großen Schluck genehmigt. Klar sorgt das für Lacher, aber es macht den Weihnachtsmann nicht nur zu einer geschmacklosen Parodie des Charakters, sondern einfach unerträglich. Ich habe noch nie eine so missglückte Szene gesehen wie diese, und das will was heißen. Ja, es ist ein Kinderstück, aber das... Da hatte das Niveau einer dörflichen Karnevalssitzung in allen Bereichen. Melodie, Text, Kostüme, Inszenierung, Choreographie. Und wahrscheinlich wäre es sogar einigen Sitzungen noch peinlich gewesen. Furchtbar.

Die Songtexte sind übrigens durchgänig nicht gerade der große Wurf. "Mama kommt aus London nach/ doch sie kommt nicht los/ Ich träume von Narnia. Narnia./ Was mache ich bloß?"
Mal ganz davon abgesehen, dass es zwei Übersetzungen der Prophezeihungen gibt, weil das Buch zweimal übersetzt wurde, und sie trotzdem noch eine dritte angefertigt haben, die dann sogar noch schlimmer ist als die von Hohlbein... und eine vierte, gesungene, die es auch nicht besser macht.

Es hätte so schön werden können... Zum Schluß ein Lob für die Szene, als Edmund der Hexe den Zauberstab zerschlägt. Die war gut getimed mit dem Spezialeffekt.

Die Zielgruppe mochte es. Immerhin etwas.

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