Aug. 9th, 2024

blauerfalke: (erzählen)
von Hermann Schreiber

"Weltgeschichte" ist relativ. "Mätressen der europäischen Geschichte (inkl. russisches Zarenreich) zwischen 1500 und 1945" wäre ein besserer Titel, aber halt auch ziemlich lang. Außerdem ist das Buch von 1967 (aber die Auflage von 2003, so dass ich mal davon ausgehe, dass die geschichtlichen Angaben noch recht gut dem Stand der Wissenschaft entsprechen).

Ein Buch mit diesem Alter über Frauen birgt Tücken. Man muss es im Kontext der Zeit lesen, denn hin und wieder erwährt Herr Schreiber die typischen Veralangungen einer Frau, die typische Intelligenz einer Frau oder weist darauf hin, dass Frauen naturgemäß nicht in der Lage sind, X zu tun/lernen/wissen/durchzusetzen... Die Grundeinstellung ist, dass Frauen emotional, intrigant, unbeherrscht, rachsüchtig und machtversessen sind. Auf der anderen Seiten muss man Herrn Schreiber aber auch zugestehen, dass er die meisten dieser Adjektive auch für die erwähnten Herren verwedent, und dass es sich um ein Buch über berühmte Mätressen hoher Herren (und einer Dame - Katharina die Große) handelt, und dass man so einen Posten nicht leicht bekommt und schon gar nicht mal eben so lange hält, ohne da die entsprechenden Qualitäten mitzubringen. Eine gehörige Portion Kaltschnäuzigkeit und Rücksichtslosigkeit gehört da sicher dazu, schließlich muss man die Konkurrenz ausschalten.

Ebenfalls zu Gute halten muss man Herrn Schreiber, dass die Aussage "eine Mätresse kann sich nur die in Staatsgeschäfte einmischen, wenn der Herrscher schwach genug ist, das zu erlauben" eine gewisse Gleichverteilung der Schuld beinhaltet. Denn selbstverständlich sollte eine Frau, auch eine Mätresse, sich eben nicht in Staatsgeschäfte einmischen, denn Politik ist Männersache. Auch wenn Herr Schreiber einräumt, dass einige Mätressen da gar nicht mal ungeschickt waren und gute Entscheidungen in Gang gesetzt haben. Oder gute Ratschläge gegeben haben, auf die der Monarch dann mal besser gehört hätte.

Das Buch ist unterhaltsam geschrieben, gut zu lesen und kurzweilig. Hin und wieder habe ich die Übersicht verloren, weil Herr Schreiber - wie das früher häufig und auch gerne heute immer noch gemacht wird - die Namen der Monarchen eindeutscht. Da ist mir dann schonmal nicht klar, ob der gerade erwähnte Franz König von Frankreich ist oder doch ein deutscher Fürst...

Gelernt habe ich auch einiges, unter anderem, dass nicht alle berühmten französischen Mätressen Mätressen von Lous XIV. waren. Und dass es immer wieder spaßig ist, was man sich so merkt - das Kapitel über die Mätressen von August dem Starken erwähnt Aurora von Königsmark. Von der hatte ich noch nie gehört, aber bei "Königsmark" habe ich mich sofort daran erinnert, dass der Liebhaber von Sophie-Dorothea von Braunschweig-Lüneburg so hieß ("Mein geliebtes Celle!"). Wie sich dann herausstellte, war das der Bruder von Aurora, und sie kam nach Dresden, weil sie sich Hoffnungen gemacht hat, dass August der Starke ihr dabei helfen würde, die Wahrheit über das Schicksal ihres Bruders herauszufinden. (Was er nicht getan hat.)

Gutes Buch. Wie gesagt, im Kontext der Zeit lesen, aber das kann man problemlos. Klare Empfehlung.
blauerfalke: (erzählen)
Mythos und Wahrheit

von Martin Brauer
(aus der Reihe Heyne - Rätsel der Geschichte, erschienen 1997)

Eine übersichtliche, klar strukturierte, nüchterne, aber gut zu lesende Übersicht über die Geschichte der Templer. Herr Brauer macht deutlich, was eigentlich an echten zeitgenössischen Quellen existiert - nur sehr wenig - warum einige Daten sich zu widersprechen scheinen, das aber bei genauerem Hinsehen nicht tun, was wiederum diversen Mythen den Boden entzieht. Er bezieht sich vor allem auf die immer gleiche Handvoll von Autoren, eines der Bücher, die er erwähnt, habe ich sogar gelesen (Lincoln/Baigent/Leigh - bekannt dafür, dass ihre Ideen die Grundlage zu "Der da Vinci Code" geliefert haben, und Verfechter der Idee, dass die Templer nach Schottland entkommen sind und dort in den Freimaurern aufgingen).

Das Buch stellt diese und andere Theorien zwar vor, distanziert sich aber von allen Spekulationen. Herr Bauer ergreift keine Partei, wägt Für und Wider sachlich ab und lässt nur hin und wieder eine eigene Meinung einfließen, die er dann aber auch immer deutlich als solche kennzeichnet. Im Ganzen gesehen will er mit diesem Buch die bekannten Fakten und Daten darstellen, und das gelingt ihm ausgezeichnet.

Als solches entzaubert es das Mysterium der Templer, lässt viele Fragen unbeantwortet, weil es dazu eben nur Spekulationen gibt und kein Material, und gibt vor allem eine gute und übersichtliche Chronologie ab. Im Grunde wusste ich, dass die Templer nicht lange existiert haben können, aber es ist etwas anderes, das so deutlich vorgeführt zu bekommen, dass wir hier von nur etwa 200 Jahren reden. Auch bei Zweck und Organisation habe ich nicht viel Neues gelernt, aber die Verbindung zu Bernhard von Clairvaux war mir nicht so bewusst, und auch nicht, dass die Templer weiß tragen, weil sich ihre Ordensregel von der der Zisterzienser ableitet, und die nunmal weiß tragen. Details halt, aber durchaus interessant.

Spaßig fand ich die persönliche Meinung des Autors, dass sich die Johanniter ebenso gut zu einem geheimnisumwitterten Ritterorden geeigent hätten wie die Templer, aber dass es halt schwer ist, einen Mythos aufzubauen, wenn wenn man dem Orden auch heute noch ständig bei der Arbeit zugucken kann.
Aber vielleicht sollte ich mal ein Buch über die Johanniter lesen, denn auch da gibts ja ordentlich Vorwürfe und Anschuldigungen, die von denen gegenüber der Templer nicht so weit weg sind.

Gut verständlich, knapp gehalten, sehr gut als Übersicht und für Grundinformation. Für jeden, der sich einfach mal informieren will.

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