Freistatt in 17 Bänden
Nov. 23rd, 2020 08:04 pm![[personal profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/user.png)
von Robert Asprin und Lynn Abbey (Hrsg.)
Freistatt - oder korrekter "Geschichten aus der Diebeswelt" - ist eine Anthologie in auf deutsch 17 Bänden (12 im englischen Original), die zwischen 1979 und 1989 entstand. Die Idee dahinter ist das Setting einer Welt, vor allem einer Stadt, die sich viele Autoren teilen, so dass jeder seine eigenen Geschichten schreibt, die aber trotzdem irgendwie zusammenhängen, weil sie eben in derselben Stadt spielen und die Protagonisten sich darum untereinander kennen oder doch wenigstens um die Existenz der anderen wissen. Erfinder und Herausgeber des Ganzen war Robert Asprin, später zusammen mit Lynn Abbey, die auch beide bis zum letzten Band immer wieder Geschichten beigesteuert haben. Andere Autoren, die an der Reihe beteiligt waren, sind z.B. Marion Zimmer-Bradley, Poul Anderson, Diana L.Paxton und Andrew J. Offut.
Kurz, Freistatt hat eine gewisse Mischung aus hochkarätig und improvisiert. Wie die Stadt selbst. Und es trägt viel zu seinem Charme bei.
Aus heutiger Sicht ist es natürlich altmodisch. Band 1 ist über vierzig Jahre alt, damals war Fantasy ein junges Genre und die Regeln, falls sie überhaupt existierten, waren andere als heute. Es gibt also viele Charaktere, die heute keiner mehr so schreiben würde, weil sie einfach zu klischeehaft sind - auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Charaktere, die sehr vielschichtig und gut aufgebaut sind. Nicht immer innovativ, aber gut gemacht. Auch ist es sehr viel sexistischer, als man heute Fantasy schreibt, auch wenn es einige sehr moderne feministische Ideen hat. Trotzdem sind die anerkannten, starken Frauen zum Großteil Kämpferinnen und total sexy und schön... wie das damals halt so war. Sex ist das Wichtigste für egal welchen Charakter. Außer Hakiem und den Alten Mann, glaube ich... Aber sonst für jeden. Sex und Macht, die großen Motivatoren der Menschheit. Freistatt ist halt ein verderbtes Loch und der Name "Diebeswelt" muss ja auch erstmal verdient werden.
Man muss sich also ein bisschen an den Stil, auch den Schreibstil, gewöhnen und auch an die Sichtweisen, aber wenn man das hat, kann man es auch jetzt noch sehr gut lesen. Es ist unterhaltsam und abwechslungsreich, da es sich um mehr oder weniger abgeschlossene Geschichten handelt, kann man auch gut immer mal eine lesen, und es fehlt den Autoren sicher nicht an Phantasie und guten Ideen. Und, wie bei jeder Antholgie: Magst du du eine Geschichte nicht, macht nichts, die nächste ist anders.
Ich habe diesmal alle 17 Bände am Stück gelesen und das hilft sehr dabei, die Übersicht zu behalten. Bei 17 Bänden mit durchschnittlich vier bis fünf Geschichten pro Band ist die Figuren-Palette auch mit wiederkehrenden Personen groß, und es hilft, die Übersicht über die Handlungsstränge zu behalten, wenn man es am Stück liest. Denn das hat Freistatt auch noch, eine Zeitlinie im Hintergrund, auf der sich all die Geschichten zutragen und auf deren Ereignisse in der Stadt und an anderen Orten der Welt immer wieder Bezug genommen wird. Auch wird dieser Handlungsbogen im Hintergrund immer komplexer, beginnend mit zwei Invasionen, dann einem Hexenkrieg und Streitigkeiten diverse Pantheons, die auf diversen Ebenen anwesend/ausgelöscht/eingeschlossen/irgendwas sind. (Und das sind nur die Ereignise in Freistatt selbst.) Vieles muss man einfach hinnehmen - nicht zu vergessen haben diverse Autoren auch eigenständige Bücher im Universum geschrieben, auf deren Handlungen ebenfalls Bezug genommen wird. Eins dieser Bücher habe ich gelesen, aber ob es auch eins über die Nisibisi-Hexen gibt, das die Motive und die Person von Roxane erklärt, weiß nicht einmal.
Bestehen die ersten Bände noch mehr oder weniger aus Abeneteuergeschichten, wird es sehr schnell sehr duster und gruselig - blutig sind die Bücher von Anfang an - mit dem Krieg zwischen den beiden Hexen Ischade und Roxane als Zentrum, bei dem Ischade die eindeutig wichtigere und sehr viel besser ausgearbeitete Figur ist. Roxane ist mächtig, aber eher eine Randfigur, so dass eben vor allem die Bedrohung, die Untoten und das Gemetzel übrigbleiben. Kein intellektueller Zweikampf.
Ab der Mitte der Reihe nehmen auch Intrigen, Verrat und allerlei Machtspiele einen immer größeren Raum ein. Es wird komplexer, greift mehr ineinander, verliert daber dadurch auch einiges von der Anarchie, die die ersten Bände auszeichnet. Geschichte, die einfach nur so für sich stehen, werden immer weniger. Erst macht jeder, was er will, dann findet es sich durch Übung zusammen - auch die out-of-Character-Momente werden nach den ersten Bänden deutlich weniger. Lynn Abbey schreibt in einem sehr amüsanten kleinen Aufsatz, dass keiner von ihnen so genau weiß, wie Freistatt aussieht und funktioniert, aber irgendwie haben sie es doch zusammengebastelt. Das trifft es ganz gut. Dinge widersprechen sich - zum Beispiel im hinteren Drittel die Frage, wer warum noch wie viel Magie wirken kann oder eben nicht - aber das muss man dann halt hinnehmen. Liegt in der Natur der Sache. Und das Gesamtbild passt schon recht gut zusammen.
Jeder hat seine Lieblingsfiguren, und damals, als ich einige Bände zum ersten Mal las, waren das bei mir Hanse und Lythande. Hanse ist nach wie vor unterhaltsam und gut zu lesen, aber Lythande ist leider vollkommen unerträglich. Teils, weil er nur in den ersten Bänden vorkommt, und sich da die out-of-character-Moments geradezu häufen, teils, weil seine Hauptfunktion ist, tragisch zu sein und sich ständig unsterblich in Leute zu verlieben, die er noch nie zuvor gesehen hat. Ich habe noch einen Sammelband mit Lythande-Geschichten im Schrank, die Marion Zimmer-Bradley außerhalb von Freitstatt geschrieben hat. Vielleicht sind die besser...
Ich konnte mich namentlich an Ischade erinnern, die ich nie mochte, die aber sehr viel vielschichtiger ist, als ich mich erinnern konnte, und darum verdient viel Screentime bekommt, und an Eindaumen, und sogar daran, dass er mehrfach stirbt, wieder auftaucht und verschwindet und dass das alles sehr unverständlich ist. Was auch alles immer noch so ist.
Von ihren Eigenschaften habe ich mich an Lalo, den Maler erinnert, und an die Seherin Ilyra und ihren Mann Dubro, den Schmied, und Jubal. Und an Enas Yorl, der mir bei diesem Lesen sehr viel mehr gegeben hat als vor zwanzig Jahren, und der ein sehr interessanter Charakter ist. Auch Madame Myrtis ist gut geschrieben, oder Gilla...
Dafür lässt mich die gesamte Kämpferriege mehr oder weniger kalt. Tempus, der Blödmann, sowieso, aber auch die restlichen Stiefsöhne und Höllenhunde. Einzig Walegrin mag ich ganz gerne. Was Kama, Chenaya, Daphne, Jihan und all die anderen schönen, sexy, selbstbestimmten undbesiegbaren Kämpferinnen angeht... nein, danke. Nicht meins.
Wen ich total vergesen hatte, ist Strick, den ich diesmal sehr mochte. Er ist sympatisch und seine Geschichten sind humorvoll. Hakiem, der Geschichtenerzähler, dem die erste und die letzte Geschichte gehören, ist sehr gut erfunden, und ich habe noch immer eine Schwäche für Kadakithis, den rankanischen Prinz-Statthalter mit den hohen Idealen, der je nach Autor von naiv über unfähig bis total verkannt gezeichnet wird. Selbst die Beysa hat mehr Facetten, als ich erwartet hatte.
Jeder Band hat einen Anhang mit den wichtigsten Figuren, falls jemand zehn Bände später wieder auftaucht und man sich fragt, wer das denn nun wieder war. Da gefühlt die Hälfte alle Personen mit S anfängt und alle Wirte grundsätzlich mit A, ist das manchmal sehr hilfreich.
Die deutsche Ausgabe ist bei Bastei Lübbe erschienen. Bastei Lübbe zeichnete sich damals vor allem dadurch aus, dass sie es wagen, jede Menge Fantasy auf den Markt zu bringen, was damals in Deutschland noch recht neu war und damit ein Risiko, auch, weil es als "Schund" verschrien war. Brutales Escapismus-Zeug für Jugendliche mit Sex- und Gewaltphantasien. Bastei Lübbe hat den Markt trotzdem bedient, und wer damals schon Fantasy gelesen hat, weiß, wie schlecht ihre Bücher lektoriert und gestaltet waren. Freistatt macht da keine Ausnahme.
Es beginnt damit, dass jeder der 17 Bände eine andere Farbe hat. Jeder. Schwarz, diverse Blautöne, weiß, pink, gelb... alles. Alle 17 nebeneinander im Schrank sieht einfach nur furchtbar aus.
Dann hat jeder Band ein Coverbild. Ich weiß nicht, wo sie sie herhaben - die ersten könnten die Bilder der englischen Originale sein, denn sie haben zumindest Freistatt-Bezug, auch wenn keiner der Charaktere darauf auch nur annähernd so aussieht, wie er in den Büchern beschrieben wird. Später sind es generische Fanatsy-Bilder, was in dem Bild einer klassischen Märchenbuch-Hexe mit Warze auf der Riesennase gipfelt, die in einem Kessel in einem Wald etwas zusammenbraut. Das ist in etwa so weit von Freistatt weg wie Star Wars. Und das nicht nur, weil Freistatt zwischen einem Seehafen und einer Wüste liegt und es darum in der gesamten Umgebung keinen Wald gibt.
Was die Übersetzung angeht, so sind wenigstens die Namen der handelnden Personen durchgängig genauso übersetzt und geschrieben, aber leider kann sich der Verlag nicht entscheiden, ob der Ort des Geschehens nun Freistatt oder Freistadt heißt (Original: Sanctuary - auch dessen korrekte Übersetzung, "Zuflucht", taucht in den hinteren Bänden als Stadtname auf, was mich vollkommen verwirrt hat. Ich dachte, es sei vielleicht ein neues Stadtviertel, dessen Bau mir entgangen ist.). Ein weiterer zentraler Handlungsort, die Kneipe, die im Orginal "Vulgar Unicorn" heißt, wird meistens mit "Zum Wilden Einhorn" übersetzt, aber hin und wieder taucht auch mal "Das Gemeine Einhorn" auf, was mich schon zu der Frage führte, ob es vielleicht zwei Kneipen sind. Falls es wirklich zwei sind, spielt es im Grunde keine Rolle, aber es stört schon beim Lesen.
Ich konnte auch nicht rausfinden, ob Rattenfalle und Rattenfall dasselbe Viertel sind und ob eins oder beides zu Abwind gehören oder ob es vielleicht sogar Synonyme für Abwind sind.
Ganz schlimm wird es aber erst, wenn mal wieder jemand nicht aufgepasst hat und die falschen Namen verwendet. Plötzlich spricht eine Person, die in der ganzen Geschichte noch nicht vorgekommen ist, geschweige denn logisch gesehen im Raum sein könnte - das passiert bei alten Bastei Lübbe-Büchern gerne mal und ich frage mich immer, wie das passiert.
Dazu kommen die üblichen Dinge wie Rechtschreibfehler, vergessene Verben oder verschwundene Sätze und Satzteile. Über das meiste davon kann ich hinweglesen, ein paar Mal war ich kurz verwirrt, aber ich bin dann auch der Typ, der die Schultern zuckt und sich dann halt damit abfindet, dass wir plötzlich in einem anderen Raum sind und ich nicht weiß, wie alle dahin gekommen sind.
Trotz dieser Schönheitsfehler und eben der Tatsache, dass man es im Kontext der Zeit lesen muss, habe ichs gerne gelesen. Es hat den Test der Zeit also sowas wie bestanden. Gut genug, dass ich jetzt mal rausfinden werden, ob es die neuen Bände, die Lynn Abbey vor beinahe 20 Jahren geschrieben bzw. editiert hat, irgendwo günstig zu kaufen gibt. Herausfinden, was aus Freitstatt geworden ist.
Freistatt - oder korrekter "Geschichten aus der Diebeswelt" - ist eine Anthologie in auf deutsch 17 Bänden (12 im englischen Original), die zwischen 1979 und 1989 entstand. Die Idee dahinter ist das Setting einer Welt, vor allem einer Stadt, die sich viele Autoren teilen, so dass jeder seine eigenen Geschichten schreibt, die aber trotzdem irgendwie zusammenhängen, weil sie eben in derselben Stadt spielen und die Protagonisten sich darum untereinander kennen oder doch wenigstens um die Existenz der anderen wissen. Erfinder und Herausgeber des Ganzen war Robert Asprin, später zusammen mit Lynn Abbey, die auch beide bis zum letzten Band immer wieder Geschichten beigesteuert haben. Andere Autoren, die an der Reihe beteiligt waren, sind z.B. Marion Zimmer-Bradley, Poul Anderson, Diana L.Paxton und Andrew J. Offut.
Kurz, Freistatt hat eine gewisse Mischung aus hochkarätig und improvisiert. Wie die Stadt selbst. Und es trägt viel zu seinem Charme bei.
Aus heutiger Sicht ist es natürlich altmodisch. Band 1 ist über vierzig Jahre alt, damals war Fantasy ein junges Genre und die Regeln, falls sie überhaupt existierten, waren andere als heute. Es gibt also viele Charaktere, die heute keiner mehr so schreiben würde, weil sie einfach zu klischeehaft sind - auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Charaktere, die sehr vielschichtig und gut aufgebaut sind. Nicht immer innovativ, aber gut gemacht. Auch ist es sehr viel sexistischer, als man heute Fantasy schreibt, auch wenn es einige sehr moderne feministische Ideen hat. Trotzdem sind die anerkannten, starken Frauen zum Großteil Kämpferinnen und total sexy und schön... wie das damals halt so war. Sex ist das Wichtigste für egal welchen Charakter. Außer Hakiem und den Alten Mann, glaube ich... Aber sonst für jeden. Sex und Macht, die großen Motivatoren der Menschheit. Freistatt ist halt ein verderbtes Loch und der Name "Diebeswelt" muss ja auch erstmal verdient werden.
Man muss sich also ein bisschen an den Stil, auch den Schreibstil, gewöhnen und auch an die Sichtweisen, aber wenn man das hat, kann man es auch jetzt noch sehr gut lesen. Es ist unterhaltsam und abwechslungsreich, da es sich um mehr oder weniger abgeschlossene Geschichten handelt, kann man auch gut immer mal eine lesen, und es fehlt den Autoren sicher nicht an Phantasie und guten Ideen. Und, wie bei jeder Antholgie: Magst du du eine Geschichte nicht, macht nichts, die nächste ist anders.
Ich habe diesmal alle 17 Bände am Stück gelesen und das hilft sehr dabei, die Übersicht zu behalten. Bei 17 Bänden mit durchschnittlich vier bis fünf Geschichten pro Band ist die Figuren-Palette auch mit wiederkehrenden Personen groß, und es hilft, die Übersicht über die Handlungsstränge zu behalten, wenn man es am Stück liest. Denn das hat Freistatt auch noch, eine Zeitlinie im Hintergrund, auf der sich all die Geschichten zutragen und auf deren Ereignisse in der Stadt und an anderen Orten der Welt immer wieder Bezug genommen wird. Auch wird dieser Handlungsbogen im Hintergrund immer komplexer, beginnend mit zwei Invasionen, dann einem Hexenkrieg und Streitigkeiten diverse Pantheons, die auf diversen Ebenen anwesend/ausgelöscht/eingeschlossen/irgendwas sind. (Und das sind nur die Ereignise in Freistatt selbst.) Vieles muss man einfach hinnehmen - nicht zu vergessen haben diverse Autoren auch eigenständige Bücher im Universum geschrieben, auf deren Handlungen ebenfalls Bezug genommen wird. Eins dieser Bücher habe ich gelesen, aber ob es auch eins über die Nisibisi-Hexen gibt, das die Motive und die Person von Roxane erklärt, weiß nicht einmal.
Bestehen die ersten Bände noch mehr oder weniger aus Abeneteuergeschichten, wird es sehr schnell sehr duster und gruselig - blutig sind die Bücher von Anfang an - mit dem Krieg zwischen den beiden Hexen Ischade und Roxane als Zentrum, bei dem Ischade die eindeutig wichtigere und sehr viel besser ausgearbeitete Figur ist. Roxane ist mächtig, aber eher eine Randfigur, so dass eben vor allem die Bedrohung, die Untoten und das Gemetzel übrigbleiben. Kein intellektueller Zweikampf.
Ab der Mitte der Reihe nehmen auch Intrigen, Verrat und allerlei Machtspiele einen immer größeren Raum ein. Es wird komplexer, greift mehr ineinander, verliert daber dadurch auch einiges von der Anarchie, die die ersten Bände auszeichnet. Geschichte, die einfach nur so für sich stehen, werden immer weniger. Erst macht jeder, was er will, dann findet es sich durch Übung zusammen - auch die out-of-Character-Momente werden nach den ersten Bänden deutlich weniger. Lynn Abbey schreibt in einem sehr amüsanten kleinen Aufsatz, dass keiner von ihnen so genau weiß, wie Freistatt aussieht und funktioniert, aber irgendwie haben sie es doch zusammengebastelt. Das trifft es ganz gut. Dinge widersprechen sich - zum Beispiel im hinteren Drittel die Frage, wer warum noch wie viel Magie wirken kann oder eben nicht - aber das muss man dann halt hinnehmen. Liegt in der Natur der Sache. Und das Gesamtbild passt schon recht gut zusammen.
Jeder hat seine Lieblingsfiguren, und damals, als ich einige Bände zum ersten Mal las, waren das bei mir Hanse und Lythande. Hanse ist nach wie vor unterhaltsam und gut zu lesen, aber Lythande ist leider vollkommen unerträglich. Teils, weil er nur in den ersten Bänden vorkommt, und sich da die out-of-character-Moments geradezu häufen, teils, weil seine Hauptfunktion ist, tragisch zu sein und sich ständig unsterblich in Leute zu verlieben, die er noch nie zuvor gesehen hat. Ich habe noch einen Sammelband mit Lythande-Geschichten im Schrank, die Marion Zimmer-Bradley außerhalb von Freitstatt geschrieben hat. Vielleicht sind die besser...
Ich konnte mich namentlich an Ischade erinnern, die ich nie mochte, die aber sehr viel vielschichtiger ist, als ich mich erinnern konnte, und darum verdient viel Screentime bekommt, und an Eindaumen, und sogar daran, dass er mehrfach stirbt, wieder auftaucht und verschwindet und dass das alles sehr unverständlich ist. Was auch alles immer noch so ist.
Von ihren Eigenschaften habe ich mich an Lalo, den Maler erinnert, und an die Seherin Ilyra und ihren Mann Dubro, den Schmied, und Jubal. Und an Enas Yorl, der mir bei diesem Lesen sehr viel mehr gegeben hat als vor zwanzig Jahren, und der ein sehr interessanter Charakter ist. Auch Madame Myrtis ist gut geschrieben, oder Gilla...
Dafür lässt mich die gesamte Kämpferriege mehr oder weniger kalt. Tempus, der Blödmann, sowieso, aber auch die restlichen Stiefsöhne und Höllenhunde. Einzig Walegrin mag ich ganz gerne. Was Kama, Chenaya, Daphne, Jihan und all die anderen schönen, sexy, selbstbestimmten undbesiegbaren Kämpferinnen angeht... nein, danke. Nicht meins.
Wen ich total vergesen hatte, ist Strick, den ich diesmal sehr mochte. Er ist sympatisch und seine Geschichten sind humorvoll. Hakiem, der Geschichtenerzähler, dem die erste und die letzte Geschichte gehören, ist sehr gut erfunden, und ich habe noch immer eine Schwäche für Kadakithis, den rankanischen Prinz-Statthalter mit den hohen Idealen, der je nach Autor von naiv über unfähig bis total verkannt gezeichnet wird. Selbst die Beysa hat mehr Facetten, als ich erwartet hatte.
Jeder Band hat einen Anhang mit den wichtigsten Figuren, falls jemand zehn Bände später wieder auftaucht und man sich fragt, wer das denn nun wieder war. Da gefühlt die Hälfte alle Personen mit S anfängt und alle Wirte grundsätzlich mit A, ist das manchmal sehr hilfreich.
Die deutsche Ausgabe ist bei Bastei Lübbe erschienen. Bastei Lübbe zeichnete sich damals vor allem dadurch aus, dass sie es wagen, jede Menge Fantasy auf den Markt zu bringen, was damals in Deutschland noch recht neu war und damit ein Risiko, auch, weil es als "Schund" verschrien war. Brutales Escapismus-Zeug für Jugendliche mit Sex- und Gewaltphantasien. Bastei Lübbe hat den Markt trotzdem bedient, und wer damals schon Fantasy gelesen hat, weiß, wie schlecht ihre Bücher lektoriert und gestaltet waren. Freistatt macht da keine Ausnahme.
Es beginnt damit, dass jeder der 17 Bände eine andere Farbe hat. Jeder. Schwarz, diverse Blautöne, weiß, pink, gelb... alles. Alle 17 nebeneinander im Schrank sieht einfach nur furchtbar aus.
Dann hat jeder Band ein Coverbild. Ich weiß nicht, wo sie sie herhaben - die ersten könnten die Bilder der englischen Originale sein, denn sie haben zumindest Freistatt-Bezug, auch wenn keiner der Charaktere darauf auch nur annähernd so aussieht, wie er in den Büchern beschrieben wird. Später sind es generische Fanatsy-Bilder, was in dem Bild einer klassischen Märchenbuch-Hexe mit Warze auf der Riesennase gipfelt, die in einem Kessel in einem Wald etwas zusammenbraut. Das ist in etwa so weit von Freistatt weg wie Star Wars. Und das nicht nur, weil Freistatt zwischen einem Seehafen und einer Wüste liegt und es darum in der gesamten Umgebung keinen Wald gibt.
Was die Übersetzung angeht, so sind wenigstens die Namen der handelnden Personen durchgängig genauso übersetzt und geschrieben, aber leider kann sich der Verlag nicht entscheiden, ob der Ort des Geschehens nun Freistatt oder Freistadt heißt (Original: Sanctuary - auch dessen korrekte Übersetzung, "Zuflucht", taucht in den hinteren Bänden als Stadtname auf, was mich vollkommen verwirrt hat. Ich dachte, es sei vielleicht ein neues Stadtviertel, dessen Bau mir entgangen ist.). Ein weiterer zentraler Handlungsort, die Kneipe, die im Orginal "Vulgar Unicorn" heißt, wird meistens mit "Zum Wilden Einhorn" übersetzt, aber hin und wieder taucht auch mal "Das Gemeine Einhorn" auf, was mich schon zu der Frage führte, ob es vielleicht zwei Kneipen sind. Falls es wirklich zwei sind, spielt es im Grunde keine Rolle, aber es stört schon beim Lesen.
Ich konnte auch nicht rausfinden, ob Rattenfalle und Rattenfall dasselbe Viertel sind und ob eins oder beides zu Abwind gehören oder ob es vielleicht sogar Synonyme für Abwind sind.
Ganz schlimm wird es aber erst, wenn mal wieder jemand nicht aufgepasst hat und die falschen Namen verwendet. Plötzlich spricht eine Person, die in der ganzen Geschichte noch nicht vorgekommen ist, geschweige denn logisch gesehen im Raum sein könnte - das passiert bei alten Bastei Lübbe-Büchern gerne mal und ich frage mich immer, wie das passiert.
Dazu kommen die üblichen Dinge wie Rechtschreibfehler, vergessene Verben oder verschwundene Sätze und Satzteile. Über das meiste davon kann ich hinweglesen, ein paar Mal war ich kurz verwirrt, aber ich bin dann auch der Typ, der die Schultern zuckt und sich dann halt damit abfindet, dass wir plötzlich in einem anderen Raum sind und ich nicht weiß, wie alle dahin gekommen sind.
Trotz dieser Schönheitsfehler und eben der Tatsache, dass man es im Kontext der Zeit lesen muss, habe ichs gerne gelesen. Es hat den Test der Zeit also sowas wie bestanden. Gut genug, dass ich jetzt mal rausfinden werden, ob es die neuen Bände, die Lynn Abbey vor beinahe 20 Jahren geschrieben bzw. editiert hat, irgendwo günstig zu kaufen gibt. Herausfinden, was aus Freitstatt geworden ist.