blauerfalke: (geschichten)
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Film von Disney (2018), Sequel zum Film von 1964


Michael und Jane aus Film 1 sind erwachsen. Sie ist unverheiratet und macht sich für die Rechte der Arbeiter stark, er ist Witwer und lebt mit seinen drei Kindern im alten Haus der Familie. Da er eine Hypothek aufnehmen musste, die er nicht bezahlen kann, droht er, das Haus zu verlieren. Mary Poppins kommt an dem alten Drachen vom Ende des alten Films geflogen und nach viel Chaos findet sich dann doch eine Lösung und alle sind glücklich. Natürlich gibt es auch einen Cockney-Charakter, der diesmal ein Lampenanzünder ist und Jack heißt.
Kurz, ich schätze, die Prämisse des Films war: Er muss anders sein als der Alte, aber doch genau gleich. Und genau daran krankt der Film auch in jeder Minute.

Erster Fehler: Das ist nicht London. Es nebelt zwar zwischendurch und es gibt immer wieder nette Skylines und Fassaden zu sehen - vor allem von der Bank und von Big Ben - aber alle Sets, in denen etwas spielt (mit Ausnahme der Straße, in der die Banks wohnen, denn das ist die gleiche wie damals) sind beliebig. Es sind nicht die Straßen um St. Pauls, es sind random Straßen. Es ist nicht diese eine bestimmte Gasse, es sind random Gassen. Der Platz erinnert sehr, sehr vage an Trafalgar Square, ist es aber nicht. Man kann die Orte nicht lokalisieren, man ist sogar sicher, dass man sie nicht lokalisieren kann, und das killt das Flair. Die Atmosphäre von London ist die halbe Miete, und die haben sie nicht.

Zweiter Fehler: Es gibt einen Bösewicht. Es hätte gereicht, dass Weltwirtschaftskrise ist und dass Michael darum drauf und dran ist, das Haus zu verlieren. Aber nein, sie setzen noch einen Bösewicht obendrauf, der das Haus unbedingt haben will und darum zu unlauteren Mitteln greift. Da der Mann auch noch Michaels Boss ist, ist er eine reale und unmittelbare Bedrohung. Das gibt auch dem Film eine bedrohliche Note und das damit zusammenhängende Ultimatum nimmt ihm die Ruhe, die er eigentlich bräuchte.

Dritter Fehler: Damit der Film dem alten möglichst ähnlich ist, müssen wir die entsprechenden Stationen abarbeiten. Wir begeben uns also in eine gemalte Landschaft - diesmal kein Pflasterbild sondern eine Vase - wir treffen eine verrückte Verwandte - sie schwebt nicht an der Decke, aber ihr Haus stellt sich jeden zweiten Mittwoch im Monat auf den Kopf, darum müssen wir jetzt an der Decke herumspazieren und einen Song darüber singen - wir brauchen eine große Ballettsequenz mit vielen tollen Tänzern aus dem Arbeitermilieu - sie sind jetzt Lampenanzünder und keine Schornsteinfeger - die dazu einen Song mit repetitiver Catchphrase singen, und am Ende schweben wir über dem Park vor der Haustür, nur eben an Ballons und nicht an Drachen.
Nichts davon hat irgendwie mit der Handlung zu tun, bringt uns weiter oder ist lehrreich. Es ist das abarbeiten von Nummern.

Vierter Fehler: Jack. Sie haben Lin-Manuel Miranda in der Rolle, den gefeierten Erfinder und Hauptdarsteller des großen Broadway-Hits "Hamilton", und den müssen sie in Szene setzen. Ich sage nicht, dass Herr Miranda nicht talentiert oder nicht charmant ist, aber wer kann es schon mit Dick van Dyke aufnehmen, wenn die Rolle dermaßen ähnlich angelegt ist? Weil sie das ist, zieht man ständig Vergleiche, und dann stört auch die überflüssige Love Story mit Jane. Wozu die da ist... jede weibliche Rolle braucht einen Love Interest? Oder soll es in einem Nebensatz ohne jeden Unterbau darlegen, dass die Klassenschranken aufweichen und darum solche Romanzen möglich sind?
Zudem führt das in Szene setzen von Jack auch noch zu dieser total überflüssigen, übermäßig dramatischen Hochkletterei auf Big Ben - oder besser, auf den Elizabeth Tower, um da Big Ben zurückzudrehen - wo am Ende dann doch Mary Poppins es richten muss. Aber vorher muss man halt noch künstlich Gefahrenmomente erzeugen und zu zeigen, was für ein toller Hecht Jack ist.

Dass ich das den gesamten Film verzweifelt gesuchte Zertifikat in dem Moment erkannt habe, als sie es zum ersten Mal zeigten, hilft auch nicht wirklich. Dass sie die ganze Zeit über die Botschaft von "Familien-Zusammenhalt und die Kindheit nicht vergessen" immer mal wieder hochhalten, nur um dann wieder daran zu erinnern, dass die Zeit läuft, das Haus noch zu retten, lässt ihn unausgewogen wirken und zerrt in zu viele Richtungen gleichzeitig. Eins von beiden hätte wirklich gereicht.

Emily Blunt in der Titelrolle macht ihre Sache recht gut, spielt mir aber mit viel zu viel Subtext. Zu viele wissende Blicke, zu viele angedeutete Lächlen... Es kommt mir vor, als würde sie das für das Publikum spielen, denn wir wissen ja, was Mary Poppins alles kann und dass sie es schon richten wird. Insider-Scherz zwischen ihr und dem Zuschauer sozusagen. Das nimmt beiden Problemen die Schärfe - wie gesagt, Mary Poppins wird es schon richten - und ist mir zu sehr mit dem Holzhammer. Wie soll ich einen Film ernst nehmen, dessen Hauptperson das selbst nicht tut?

Die Music Hall-Szene in der Zeichentrick-Frequenz mag ich auch nicht so besonders, und die ewige Wiederholung von Ausdrücken wie "spit spot" ist auch ein bisschen viel... Aber seien wir ehrlich, der Film von 1964 hatte nicht besonders viel mit dem Charakter der Mary Poppins in den Büchern von P.L.Travis gemeinsam. Genau genommen ist dieser Film sogar näher dran... Das Problem ist, dass ich den Film von 1964 mochte und die Bücher nicht. Wahrscheinlich haben sie einfach versucht, diesmal ein bisschen näher dran zu sein, und ob das jetzt besser oder schlechter ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Wie bei allen Sequels, in denen die Filme keine fortlaufende Handlung haben, krankt es am Vergleich mit dem ersten Film. Es ist moderner und auf seine Art auch dem Charakter treuer. Es hat auch einen gewissen Charme, der sehr viel mehr und besser wirken würde, wenn es den alten Film nicht gäbe. Denn wäre das nicht so, läge die Messlatte liefer und ich würde den Film für sehr viel besser halten.
So ist es okay. Gelungener Abklatsch sozusagen. Für die, die das Altmodische des Films von 1964 nicht ertragen, damit die auch was haben. Kompromiss sozusagen.

Außerdem war die Musik im alten Film besser. Und die Sänger.

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