blauerfalke: (geschichten)
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von Ray Bradbury

Wenn man jemanden bittet, drei Klassiker zu nennen, in denen ein umfassendes Bild einer zukünftigen Gesellschaft gezeichnet wird, sind die ersten beiden immer "1984" und "Brave New World". Das dritte ist meistens "Fahrenheit 451". "1984" fand ich furchtbar, "Brave New World" mochte ich, habe ich aber lange nicht mehr gelesen. Darum ist es ein bisschen mit Vorbehalt, wenn ich jetzt sage: Wer nur eines von den dreien lesen will, der lese "Fahrenheit 451". Tolles Buch.

Der Titel bezieht sich legendär auf die Temperatur, bei der Buch-Papier spontan in Flammen aufgeht, und Mr. Bradbury hat das angeblich telefonisch beim Los Angeles Fire Department in Erfahrung gebracht. 451 Grad Fahrenheit sind übrigens 232,778 Grad Celsius.

Die Zahl findet sich auf den Uniformen der Firemen, die im Gegensatz zu heute nicht dazu da sind, Brände zu löschen (denn alle Häuser sind absolut feuerfest), sondern, um welche zu verursachen. Bücher zu verbrennen, um genau zu sein. Zu meiner Überraschung tun sie das genauso, wie die heutige Feuerwehr Brände bekämpft - es gibt eine Wache mit 24-Stunden-Schicht, dann gibt es einen Alarm, alles rennt los, rutscht eine Stange hinunter, springt in den Einsatzwagen und rast mit Blaulicht und Sirene zum Einsatzort, um dort mit Flammenwerfern nicht nur die Bücher sondern gleich das ganze Haus einzuäschern. Und, falls nötig, den/die Besitzer/in der Bücher gleich noch mit. Und wie zu erwarten, beginnt der Held der Geschichte, Guy Montag, an seiner Aufgabe zu zweifeln und nach einem Weg zu suchen, diese Praxis zu beenden.

Als Grund-Prämisse wäre das vollkommen ausreichend und würde ein spannendes Buch garantieren, aber auch in diesem ist die dargestellte Gesellschaft - und mit ihr die Außenseiter - der eigentliche Star. Und hier ist es erschreckend, wie viele Parallelen sich zu der Welt ziehen lassen, in der wir heute Leben. Viele Sätze über die immer schneller gewordene Spaßgesellschaft, die immer auf der Suche nach dem nächsten Kick ist, ohne Sinn für Verantwortung und mit extrem kurzer Aufmerksamkeitsspanne, habe ich so ähnlich in den letzten Jahren oft gehört oder auch selbst gesagt. Die Dauerbeschallung durch Sensationsmedien, die extremen Dimensionen von Entertainment-Geräten oder auch nur die ständige Präsenz von angeblich interaktiven Programmen, so dass kein Moment der Stille und Ruhe mehr existiert, damit in Versuchung kommen könnte, nachzudenken. Keine Verbindlichkeiten, keine tiefergehenden Beziehungen. Was stört, wird verbrannt. Feuer ist gründlich und es ist sauber. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Da ist es auch nicht weiter überraschend, dass gerade ein Krieg droht - und am Ende des Buches auch tatsächlich stattfindet. Genauso, wie ich erwarten würde, dass er stattfindet, wenn irgendjemand mit allem, was geht, losschlagen würde. Auch das ist erschreckend.

Ich gebe zu, ich war dankbar, dass Mr. Bradbury das Buch auf einer leicht optimistischen Note enden lässt. Auch, dass er zwischendurch immer mal wieder ein paar kleine Lichtblicke einstreut. Das Bewusstsein erhält, dass es um mehr geht, als dass die Menschheit einfach nicht in der Lage ist, aufzugeben. Sie macht einfach immer weiter, egal, wie groß die Zerstörung ist, die sie angerichtet hat. Wäre schön, wenn sie auch mal was daraus lernen würde... wie gesagt, leichter Optimismus. Es steckt mehr dahinter als nur der Hunger nach Entertainment um jeden Preis.

Wie zu Beginn gesagt: Tolles Buch.

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