Franzosenliebchen
Sep. 2nd, 2024 02:41 pm![[personal profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/user.png)
von Jan Zweyer
Das Cover sieht aus, als sei es ein Liebesroman aus den 1920ern in Berlin. Es spielt tatsächlich 1923, aber es spielt zum größten Teil im Ruhrgebiet, in der Gegend rund um Herne, und es ist ein Krimi. Zumindest tut es so, als wäre es einer, denn zu Beginn passiert ein Mord, und der wird dann aufgeklärt. Von einem Polizeibeamten, der extra dafür aus Berlin anreist, was wiederum gar nicht so einfach ist, denn das Ruhrgebiet ist Sperrzone. Besetzt von den Franzosen.
Und darum geht es eigentlich. Um eine Beschreibung der Zeit, als das Ruhrgebeit besetzt war, weil Deutschland die Reparationen nicht so leistete, wie sich die Alliierten das vorgestellt hatten. Um eine Zeit, als das Ruhrgebiet noch Ruhrgebiet war, man auffe Zeche und in'n Pütt fuhr, einen Schrebergarten hatte und eine engmaschige Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt. In der Menschen aller politischen Richtungen nur in der einen Sache vereeint sind, nämlich der Überzeugung, dass alle Franzosen Schweine sind, und dass man "für Deutschland" etwas machen muss. Der Zweck heiligt die Mittel, und so kommt es dann auch. Aktiver Widerstand, es gibt Tote, mal als Kollateralschaden, mal als Vergeltung und mal "aus Sicherheitsgründen". Auge um Auge. Und am Ende geht es nie um die Wahrheit, sondern immer um das, was den Mächtigen nutzt, und um Propaganda. Und natürlich um Geld.
Es ist sehr bitter und sehr deprimierend zu lesen, und auch wenn der Mord aufgeklärt wird, und die Hauptperson das aus hehren Motiven tut und ein sympatischer Mensch ist - der natürlich ein Kriegstrauma aus den Schützengräben mitgebracht hat - am Ende ist auch er nur ein Mensch und nicht besser als die anderen. Die Wahrheit ist halt ein sehr abstrakter Wert, und sie hilft einem nicht dabei, Essen auf den Tisch zu bekommen. Oder auch nur einen Tisch.
Am bittersten aber ist es, dass es vor 101 Jahren spielt, und exakt die gleichen Parolen verbreitet werden, die man auch heute ständig hört. Für Deutschland, für unser Volk, alle Scheißjuden/Franzosen/Ausländer/sonstwieAndere raus, und "eine deutsche Frau tut sowas nicht". Schon gar nicht mit einem Ausländer. Und sowieso ist eine Frau dazu da, die Wünsche eines Mannes zu erfüllen, der glaubt, dass er sie besitzt. Was in diesem Fall weder der Ehemann noch ein Verwandter ist.
Alles zu gut gekannt. Leider.
Stilistisch ist es gewöhnungsbedürftig, mit sehr detaillsierten Beschreibungen von Dingen, die Leute tun. Aber nach etwa 50 Seiten hat man sich dran gewöhnt, dann geht es.
Also auf seine Art ein sehr lesenswertes Buch. Der Autor kennt seine Materie, und es gibt einen Anhang, in dem er auf wahre Begebenheiten und eventuelle Unstimmigkeiten hinweist, die er im Namen der Erzählung vornehmen musste. Geschichtsvermittlung, ohne anstrengend zu sein.Dafür ist es sehr gut geeignet.
Das Cover sieht aus, als sei es ein Liebesroman aus den 1920ern in Berlin. Es spielt tatsächlich 1923, aber es spielt zum größten Teil im Ruhrgebiet, in der Gegend rund um Herne, und es ist ein Krimi. Zumindest tut es so, als wäre es einer, denn zu Beginn passiert ein Mord, und der wird dann aufgeklärt. Von einem Polizeibeamten, der extra dafür aus Berlin anreist, was wiederum gar nicht so einfach ist, denn das Ruhrgebiet ist Sperrzone. Besetzt von den Franzosen.
Und darum geht es eigentlich. Um eine Beschreibung der Zeit, als das Ruhrgebeit besetzt war, weil Deutschland die Reparationen nicht so leistete, wie sich die Alliierten das vorgestellt hatten. Um eine Zeit, als das Ruhrgebiet noch Ruhrgebiet war, man auffe Zeche und in'n Pütt fuhr, einen Schrebergarten hatte und eine engmaschige Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt. In der Menschen aller politischen Richtungen nur in der einen Sache vereeint sind, nämlich der Überzeugung, dass alle Franzosen Schweine sind, und dass man "für Deutschland" etwas machen muss. Der Zweck heiligt die Mittel, und so kommt es dann auch. Aktiver Widerstand, es gibt Tote, mal als Kollateralschaden, mal als Vergeltung und mal "aus Sicherheitsgründen". Auge um Auge. Und am Ende geht es nie um die Wahrheit, sondern immer um das, was den Mächtigen nutzt, und um Propaganda. Und natürlich um Geld.
Es ist sehr bitter und sehr deprimierend zu lesen, und auch wenn der Mord aufgeklärt wird, und die Hauptperson das aus hehren Motiven tut und ein sympatischer Mensch ist - der natürlich ein Kriegstrauma aus den Schützengräben mitgebracht hat - am Ende ist auch er nur ein Mensch und nicht besser als die anderen. Die Wahrheit ist halt ein sehr abstrakter Wert, und sie hilft einem nicht dabei, Essen auf den Tisch zu bekommen. Oder auch nur einen Tisch.
Am bittersten aber ist es, dass es vor 101 Jahren spielt, und exakt die gleichen Parolen verbreitet werden, die man auch heute ständig hört. Für Deutschland, für unser Volk, alle Scheißjuden/Franzosen/Ausländer/sonstwieAndere raus, und "eine deutsche Frau tut sowas nicht". Schon gar nicht mit einem Ausländer. Und sowieso ist eine Frau dazu da, die Wünsche eines Mannes zu erfüllen, der glaubt, dass er sie besitzt. Was in diesem Fall weder der Ehemann noch ein Verwandter ist.
Alles zu gut gekannt. Leider.
Stilistisch ist es gewöhnungsbedürftig, mit sehr detaillsierten Beschreibungen von Dingen, die Leute tun. Aber nach etwa 50 Seiten hat man sich dran gewöhnt, dann geht es.
Also auf seine Art ein sehr lesenswertes Buch. Der Autor kennt seine Materie, und es gibt einen Anhang, in dem er auf wahre Begebenheiten und eventuelle Unstimmigkeiten hinweist, die er im Namen der Erzählung vornehmen musste. Geschichtsvermittlung, ohne anstrengend zu sein.Dafür ist es sehr gut geeignet.