blauerfalke: (erzählen)
[personal profile] blauerfalke
Musical von André Breedland, Rob Bolland and Ferdi Bolland

Es spielt die Freilichtbühne Tecklenburg, in einer Lizenzinszenierung der Stage Entertainment.


Wir hatten uns schon gefragt, ob die Rechte noch bei Stage liegen, aber das scheint der Fall zu sein. Auch 2010 hat Tecklenburg das schonmal gemacht, "3 Musketiere" als Lizensinszenierung der Stage gespielt - da es diesmal deutliche Unterschiede gab, hat die Stage zwischenzeitlich entweder selbst die Show verändert, oder Tecklenburg hat diesmal mehr Freiheiten gehabt.
Aber die Frage ist zweitrangig, denn im Grunde ist es ja dasselbe Stück.

Es ist erstaunlich, an was man sich vorab noch erinnert. Die schlechte Reimerei auf "Constance" hatte ich auch 14 Jahre später wortwörtlich noch im Kopf. Auch meinen Lieblingssatz am Ende, als Königin Anna sagt, dass sie glaubt, dass es ein wunderbarer Abend ist, um an die Zukunft der Dynastie zu denken. Während des Stücks habe ich mich daran erinnert, dass ich das Libretto damals schon sperrig fand - nicht schlecht, aber eben sperrig - und als sie im Liebesduett zu "uha-aha" übergingen, fiel mir auch wieder ein, dass mich das damals schon gestört hat.
Was ich dafür total vergessen hatte, war, dass Constance deutlich vor Ende von Akt 2 stirbt. Was wahrscheinlich vor allem eine Aussage darüber macht, wie sehr ich mich für diesen Charakter interessiere...

Letztes Mal hatten sie ein echtes Pferd, das Pomme de Terre spielte, dieses Mal hatten sie eine reitbare, lebensgroße Puppe, in der mindestens zwei Schauspieler steckten. Das war spaßig, und es gibt die Chance, mit dem Tier mehr Quatsch zu machen, was sie dann natürlich auch gemacht haben. Generell hatte ich das Gefühl, dass die Inszenierung dieses Jahr deutlich klamaukiger war, auch wenn die ständigen spöttisches Bezüge auf Rocheforts Augenklappe damals auch schon drin waren. Aber eben so generell vom Grundton war es damals ernsthafter und auch deutlich tiefergehend.
Was mich auch gewundert hat, war wie sehr Porthos (Benjamin Eberling) und Aramis (Fin Holzwart) untergegangen sind. Athos (Filippo Strocchi) hat ein eigenes Lied und sticht darum etwas mehr raus, aber auch das war mehr so ein einmaliger Moment in der Show - ich erinnere mich daran, 2010 von dem damaligen Trio Jens Jahnke, Enrico de Pieri und Marc Clear sehr begeistert gewesen zu sein, von der Detailarbeit, die sie in ihre Charaktere gesteckt haben, wie viel Interaktion zwischen ihnen stattgefunden hat und wie deutlich sie diese Freundschaft und die jeweiligen Eigeneheiten gemacht haben. Vielleicht hat es an den Darstellern gelegen, vielleicht auch an der Regie - nach 14 Jahren ist das schwer zu sagen. Dieses Mal hatte ich das Gefühl, dass alle drei mehr Hintergrund sind als sonstwas. Auch wenn Herr Stocchi mit schöner Stimme und gefühlvollem Gesang punkten kann.

D'Artagnon als Hauptrolle lässt mich vollkommen kalt, aber das ist nichts Neues und daran kann auch Raphael Groß nichts ändern. Er singt gut, ist enthusiastisch und naiv, mir sogar zu sehr, und auch stellenweise zu hektisch, und sein D'Artagnon ist für meinen Geschmack nicht ernsthaft genug bei der Sache. Aber das mag vielleicht der komödiantischen Prämisse des Zusammenspiels geschuldet sein.

Auf der gegerischen Seite finden wir Alexander di Capri (Richelieu) und Bettina Mönch (Mylady de Winter), deren Namen ich beide kenne, sie also schonmal irgendwo gesehen haben muss. Beide haben tolle Stimmen und spielen ausgezeichnet, trotzdem will sich das Gefühl echter Berohung nicht ganz einstellen. Vielleicht, weil Herr di Capri weniger die diabolische Schiene spielt und mehr den modernen Politiker mit einer Mischung aus Hassreden und harmlos tun (wobei, wenn man das genau bedenkt, ein viel realistischere und damit größere Gefahr ist...), und Frau Mönch vor allem die Verzweiflung ihrer Figur betont, was auch eine wichtige Motivation ist und später in ihrer Konfrontation mit Athos die volle Tragweite entwickeln kann.

Wie immer also toll besetzt, ein voller Klang aus dem vollen Orchestergraben, und ein großartriges Ensemble und Teckenburgs fantastische Statisterie runden die Sache ab. Die Fahrt hat sich also mal wieder gelohnt.

Als kleine Seitbemerkung möchte ich erwähnen, dass ich ein paar Entscheidungen der Regie doch ein bisschen seltsam fand.
Vor Jahren schon hat Tecklenburg die Idee gehabt, während eines großen emotionalen Solos eines Charakters im Hintergrund eine Gruppe Tänzer etwas tun zu lassen, was ich als "Ausdruckstanz" bezeichne, in der Bedeutung, dass es das, was der/die Sänger/in vorne gerade singt, noch einmal tänzerisch darzustellen. Oder irgendetwas, was unmittelbaren Bezug dazu hat, was vorher passiert ist oder gleich passieren wird. Die Choregraphien sind immer großartig, die beteiligen Tänzer/Tänzerinnen ebenso - aber kann man das Lied nicht einfach für sich selbst wirken lassen? Muss man wirklich die Aufmerksamkeit teilen? Haben die Verantwortlichen Angst, dass das Publikum sich sonst langweilen könnte? Ich persönlich finde es je nach Situation nervig oder auch nur unfair, dass Sänger/in und Lied nicht die Chance auf ungeteilte Aufmerksamkeit haben und damit von vorne herein schon klar ist, dass es nicht die Wirkung haben wird, die es haben könnte, wenn sie sich einfach mehr auf das Material verlassen würden. Oder einfach nur auf das, was ihre Besetzungen leisten können. Dieses Mal war es "Engel aus Kristall", das tänzerisch hinterlegt wurde, und nachdem ich dachte, dass ich fand, dass das Lied vor 14 Jahren mehr Eindruck hinterlassen hat. Vielleicht lag es an Herrn Clear, der damals Athos gespielt hat... aber das möchte ich Herrn Strocchi nicht so einfach unterstellen.
Weitere seltsame Entscheidungen sind, dass Mylandy de Winter in "Männer" eine Crew Tänzer in Netz/Bondage-Kostümen an Leinen durch die Gegend zerrt. In welchem Jahrzehnt sind wir, dass man das heute noch machen muss? Und warum müssen Athos, Porthos und Aramis andere Uniformen tragen als alle anderen Musketiere? Mehr noch, Rüschenzeug, in dem man nur sehr schwer ordentlich kämpfen kann? Das hilft dem unaufmerksamen Zuschauer sicher, die drei zwischen den anderen Musketieren zu finden, macht aber sonst keinerlei Sinn auf keiner Ebene. Zumal die Uniform, die D'Artagnon am Ende bekommt, die der anderen ist, so dass es beim Schlussbild der vier nichtmal einheitlich aussieht.
Auch mit der dämonisch-visionären Szene für Richelieu war ich nicht ganz glücklich, bin aber mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass die schon immer seltsam war, und dass mich vor allem die Selbstgeißelung mit blutigem Hemd gestört hat, und der Rest okay war. Das "Ich führe die Truppen in die Schlacht"-Solo war ohnehin sehr viel beeinruckender.
Und diese fahrbaren Treppen... ich habe nichts gegen fahbare Versatzstücke, aber es gibt sinnvoll einsetzen und "den ganze Song über herumschieben, damit die Leute was zu gucken haben". Siehe Hintergrundtanz weiter oben.

Nichts davon macht es zu einem schlechten Stück oder gar zu einem schlechten Theaterabend. Einfach nur Gedanken zur Inszenierung - es war ein sehr schöner Abend und es hat sich sehr gelohnt. Und besonderes Lob für die Darstellerin, die kurzfristig als Königin Anna einspringen musste, mit nur einem halben Nachmittag zum Proben. Toll gemacht!

Profile

blauerfalke: (Default)
blauerfalke

June 2025

S M T W T F S
1234567
891011121314
15161718 192021
222324 25262728
2930     

Most Popular Tags

Style Credit

Expand Cut Tags

No cut tags
Page generated Jul. 12th, 2025 08:10 pm
Powered by Dreamwidth Studios